Raaw Jibb im Test
Der Markenname Raaw ist ein Synonym für stabile, gravity-orientierte Mountainbikes aus Aluminium. Wir haben uns das Raaw Jibb unter den Hintern geklemmt und gecheckt, ob das Bike nur ballern kann, oder auch auf Touren Spaß macht.
Während sich Mainstream-Marken wie Cube, Scott oder Canyon auf Carbon als Rahmenmaterial geeinigt haben, gibt es eine Handvoll Hersteller, die auch bei hochwertigsten Mountainbikes ganz bewusst auf den Werkstoff Aluminium setzen. Raaw ist eine dieser Marken, die Aluminium nicht als Low-Budget-Material abstempeln. Die Gründe dafür sind schnell erklärt.
Bikes aus Aluminium sind...
- Robust: Vor allem im Gravity-Einsatz steckt Aluminium auch mal einen Sturz oder Steinschlag leichter weg.
- Effizient in der Verarbeitung: Die Aluminiumrohre lassen sich mit weniger Energie und Handarbeit zu einem Rahmen verarbeiten als Carbon-Matten.
- Recyclebar: Im Gegensatz zu Carbon gibt es für Aluminiumrahmen etablierte Recyclingprozesse.
Natürlich gibt es auch einige Gründe, sich für ein Carbon Bike zu entscheiden. Schließlich gibt Carbon den Entwicklern eine völlige Designfreiheit. Es gibt keine begrenzenden Rohrformen, wie bei Rahmen aus Metall. Und natürlich ist das Luxusimage, das immer mit Carbon in Verbindung gebracht wird, ein wichtiger Faktor fürs Marketing.
Bedingungsloser Leichtbau mit Rahmengewichten unter 900 Gramm beim Hardtail oder unter 1,8 Kilo beim Fully ist derzeit nur mit Carbon möglich. Firmen wie Liteville oder Nicolai haben in der Vergangenheit bewiesen, dass seriöser Leichtbau mit ca. 15-20 % Mehrgewicht im Vergleich zur Kohlefaser auch mit Aluminium als Rahmenmaterial möglich ist. Und auch bei der Formgebung bekommt Aluminium mit dem 3D-Druck langsam aber sicher wieder die Oberhand.
Das RAAW Jibb ist der feuchte Traum aller Mechaniker
Das Rahmengewicht von über 3,5 Kilo ohne Dämpfer macht unmissverständlich klar: Beim Raaw Jibb geht es nicht um Leichtbau! Es gibt Mitbewerber, die Rahmen für den gleichen Einsatzbereich bauen, die mehr als ein Kilo weniger wiegen. Der genaue Blick auf den Rahmen verrät, dass die Entwickler bei diesem Bike den Fokus völlig anders gelegt haben. Hier geht es um Langlebigkeit und Wartungsfreundlichkeit. Übertrieben gesagt: Dieses Bike macht Mechaniker arbeitslos.
Die großen Lager am Hinterbau fallen sofort ins Auge. Mit einem Durchmesser von 52 Millimetern ist das Hauptlager so groß wie ein unteres Steuersatzlager. Bei großen Lagern verteilt sich der Druck beim Einfedern auf mehr Fläche, was das komplette Material schont. So leben die Lager deutlich länger als kleine Lager. Jeder, der schon mal einen Hinterbau zerlegt hat, der nur eine Saison gefahren wurde, weiß, wie sich kleine Industrielager nach dieser Zeit drehen. Es macht also Sinn, dass RAAW hier einen eigenen Weg geht.
Die wirkliche Entwicklungstiefe der Hinterbaulagerung wird erst deutlich, wenn man den Hinterbau einmal zerlegt. Eine zusätzliche Dichtlippe an der Rückseite der Beilagscheibe zwischen Rahmen und Lager hält Dreck, Staub und Wasser nämlich bereits auf, bevor es zur eigentlichen Lagerdichtung kommt. Lästiges Hinterbauknarzen, wie es nahezu jeder Fully-Rahmen entwickelt, dürfte sich so deutlich später einstellen. Die konvexe Form der Beilagscheibe lässt einem die Kettenstreben mühelos in die Wippe einfädeln, wenn man den Hinterbau wieder zusammenbaut. Ein Detail, das die Nerven ungemein schont, weil die Beilagscheiben so nicht ständig herausfallen.
Die außen verlegten Bowdenzüge und Bremsleitungen lassen sich in kürzester Zeit und vor allem klapperfrei verlegen. In dieser wartungsfreundlichen Anmutung erobern mechanische Schaltungen wieder ihre Berechtigung gegenüber ihren funkgesteuerten elektronischen Pendants zurück. Denn unter Umständen wechselt man hier den verschlissenen Zug schneller, als man das E-Tap-Ladegerät für einen Akku findet. Das geschraubte BSA-Tretlager ist bei so vielen durchdachten Details fast schon überflüssig zu erwähnen.
Bling-Bling, wohin das Auge reicht
Wer den Blick das erste Mal über unser Raaw Jibb Testbike gleiten lässt, sollte zumindest eine Sonnenbrille aufsetzen. Denn bei so viel Bling-Bling besteht Gefahr, dass es einem die Augen verblitzt – wie beim Blick in den Lichtbogen eines Schweißapparates. Ein Raaw Bike kauft man sich nicht von der Stange, man baut es in den allermeisten Fällen individuell auf.
Der Online-Händler Bike-Components* hat nicht nur Rahmen der Marke Raaw im Exklusivvertrieb, sondern auch ein Programm, das es Kunden ermöglicht ihr individuelles Traumbike, mit einem fähigen Service-Mitarbeiter, zu spezifizieren. Gegen eine kleine Pauschale von 150 € baut der Aachener Webshop das individuelle Traumbike sogar komplett zusammen und schickt es fertig montiert zu euch nach Hause. Um dieses Alleinstellungsmerkmal zu demonstrieren, hat Bike-Components uns ein individuelles Testbike aufgebaut. Und dass ein Online-Shop, der dafür bekannt ist, die exklusivsten und ausgefallensten Teile sofort verfügbar zu haben, bei der Ausstattung nicht spart, ist klar.
Trickstuff Direttissima Bremsen, Beast Carbon Laufräder und ein Factory Fahrwerk von Fox. Hier bleiben keine Wünsche offen. Der Preis für diesen Aufbau liegt knapp über 8000 €. Die Waage bleibt bei diesem Preis bei 14,7 Kilo stehen. Auch wenn das YT Jeffsy, das wir zuletzt getestet haben, 15,5 Kilo wog, ist klar: Es gibt leichtere Bikes mit 150 Millimeter Federweg an der Gabel. In unserem Test hat uns das Bike dennoch überrascht.
Ballern, Ballern, Ballern – das RAAW Jibb im Praxistest
14,7 Kilo beim Gesamtgewicht hauen aber niemanden vom Hocker. Anders sieht es aus, wenn man einen detaillierteren Blick auf die Beast Carbon-Laufräder wirft. Obwohl enduro-taugliche Conti Schlappen aufgezogen sind, wiegen die Carbon-Laufräder inklusive Kassette, Reifen und Bremsscheiben nur 4,6 Kilo. Zum Vergleich: Die Laufräder aus dem Canyon Lux Trail, das wir zuletzt getestet haben, wogen mit einem Racing Ralph Hinterreifen ähnlich viel. Das macht den Antritt unseres Raaw Jibb leichtfüßiger, als man es erwarten würde.
Die Firma Beast Components hat nicht nur ihren Sitz in Dresden, sondern fertigt die Laufräder auch dort. Beast verspricht sogar, dass die Laufräder trotz Top-Gewicht auch 30 % mehr aushalten als vergleichbare Carbonfelgen von Mitbewerbern. Detailliert nachprüfen konnten wir das allerdings nicht. Aber trotz einiger Durchschläge auf dem Trail haben sie zumindest keinen Schaden genommen. Mit den leichten Laufrädern und dem antriebsneutralen Hinterbau schlägt sich das Bike auch auf langen Touren gut und kaschiert sein etwas hohes Rahmengewicht gekonnt. Die Sitzposition fällt aufrecht aus, was Tourenfahrern in die Karten spielen dürfte.
Bergab bringt das Bike nichts aus der Ruhe. Das komplette Fahrwerk spricht feinfühlig an und die Direttissima Bremsen aus dem BC-Onlinesshop* sind absolute Traum-Stopper. Die haben nicht nur Power ohne Ende, sondern lassen sich auch so fein wie keine andere Bremse auf dem Markt dosieren. So muss sich High-End anfühlen.
Die Geometrie funktioniert super. Das Tretlager ist für ein Bike mit 150 mm Federweg relativ tief. Es liegt 35 Millimeter unter der Nabenachse und lässt einem so im Trail aufrecht hinter dem Lenker stehen. Das vermittelt auch in steilen Passagen ein sicheres Fahrgefühl. Die Geometrie ist generell laufruhig. Raaw schlägt aber trotz newschooliger Ausrichtung hier nicht völlig über die Stränge. Bei einer aktiven Fahrweise lässt sich das Bike immer noch ohne große Mühen durch verwinkelte Trails bewegen. Dennoch, das Santa Cruz 5010 aus unserem letzten Test war verspielter.
In der Ausstattung weckt das Bike bergab viel Vertrauen. Wenn man das Potenzial aber ausschöpfen will, merkt man, dass im Hinterbau nur 135 Millimeter Federweg zur Verfügung stehen. Damit kommt das Heck bei High-Speed-Passagen oder im ultra rauen Gelände früher ans Limit als die Front. Federweg ist eben nur durch Federweg zu ersetzen. Bei der Charakteristik des Hinterbaus kann man dem Jibb dagegen keinen Vorwurf machen. Der Hinterbau bietet stets Gegendruck und versackt absolut nicht im Federweg. Was vor allem im Angesicht des knappen Federwegs sehr gut ist. Auch bei Kanten oder Sprüngen kann man so richtig gut abziehen.
Mehr Trailbikes und All-Mountains aus Alu
Wie gewohnt liefern wir nicht nur tiefgründige Einblicke in die Details eines Bikes. Im Gegensatz zu allen anderen Medien erlaubt es unser innovatives und absolut objektives Testsystem, euch Informationen zum kompletten Marktumfeld zu liefern. Wer sich für ein spezielles Bike wie das Raaw Jibb interessiert, hat eine Vorliebe für hochwertige Aluminium-Bikes. Hier haben wir dir mal eine spannende Kollektion zusammengestellt. In unserer großen Marktübersicht haben wir alle Bikes mit 130 bis 150 Millimeter Federweg und Alu-Rahmen für dich aufbereitet.
Fazit zum Raaw Jibb
Raaw beweist eindrucksvoll, dass es kein „pain in the ass“ sein muss, wenn man sein Mountainbike richten will. Der Jibb Rahmen überzeugt mit langlebiger, wartungsfreundlicher Ausrichtung. In unserem Luxusaufbau kaschieren die leichten Laufräder das relativ hohe Rahmengewicht sehr gut. So ist das Raaw Jibb nicht nur bergab eine Bank, sondern auch für lange Touren gut geeignet. Die 135 Millimeter Federweg im Heck funktionieren gut, aber minimal mehr Federweg im Heck wäre bei der Ausrichtung des Bikes stimmiger.