Radon Slide Trail AL Test
Es ist günstig, es ist vollgefedert, es hinterlässt einen sauberen ersten Eindruck. Das Radon Slide Trail AL 8.0 sieht aus wie ein Bike, mit dem man Spaß haben kann. Doch kann das Bike auf den rauen Trails von Finale Ligure überzeugen, oder knickt es ein, wenn es ernst wird?
Mountainbiken und Golfen sind zwei komplett unterschiedliche Sportarten. Beim Golfen ist Schmutz nicht gern gesehen und das Parfüm sollte stets den Geruch vom Schweiß übertünchen. Beim Biken ist es genau andersherum. Eine Biketour ohne Schmutz und Schweiß ist keine echte Biketour. Und trotz dieser fundamentalen Gegensätze schränken sich Biken und Golfen immer mehr auf dieselbe Zielgruppe ein: Besserverdiener!
Wer ordentliches Material will, muss bluten. Beim Biken sogar noch mehr als auf dem Golfplatz. Ein standesgemäßes Mountainbike, um ordentliche Trails zu rocken, kostet eine Stange Geld. Die Topmodelle von preisbewussten Herstellern liegen bei ca. 6000 €. Wer viel Wert auf eine prestigeträchtige Marke legt, kann schon auch mal 10.000 € und mehr loswerden. Zum Glück hat eine Preisliste aber immer zwei Enden. Man kann auch für weniger Geld ein Bike bekommen.
Weniger Geld – weniger Auswahl
Am günstigen Ende der Preisliste tummeln sich weit weniger Hersteller als im High-End-Segment. Decathlon versucht mit dem Rockrider AM 100 S ein ernsthaftes Fully für ordentliche Trails unter 2000 € anzubieten. Unser Test zeigt aber, dass das nur mit Kompromissen geht.
Im Preisbereich von 2000 – 3000 € tummeln sich hauptsächlich deutsche Marken mit einem Direktvertrieb. Canyon stellt sein Neuron und Spectral in diesem Preisbereich ins Schaufenster. Der Direktversender Propain hat eine junge Kundschaft und dementsprechend Bikes in dieser Preisklasse im Angebot.
Und auch unser Testbike, das Radon Slide Trail 8.0, tummelt sich in diesem Preisgefüge. Es hat einen UVP von 2999 €, kostet aktuell aber gerade 900 € weniger. Für 2099 € steht es nicht schlecht da, aber man muss sich bewusst sein, dass man sich zu diesem Preis in Verzicht üben muss.
Key Facts zum Radon Slide Trail AL 8.0
- Preis: Unter 3000 €
- Federweg: 150 mm vorne / 140 mm hinten
- Gewicht: 15,6 kg ohne Pedale
- Highlights: Fox 36 Gabel, starke Magura-Bremsen, hochwertige Reifen
Schicke Carbonrahmen, elektronische Schaltungen oder gold funkelnde Fahrwerke gibt es in dieser Preisklasse nicht. Und selbst bei dem, was es gibt, wird gespart. So kommt der Dämpfer im Heck ohne Ausgleichsbehälter daher, der normalerweise in dieser Federwegsklasse angebracht ist. Aber man kann den Produktmanagern auch keinen Vorwurf machen. Sie holen das Maximum aus dem knappen Budget heraus.
So hat das Radon Slide Trail AL bereits einen aktuellen 1×12-Antrieb von Sram. Den gibt es natürlich auch in einer hochwertigeren Ausführung, aber er entspricht dem aktuellen Standard. Die Magura-Bremsen verzögern mit vier Kolben an Front und Heck erstklassig.
Und die Reifen stammen sogar aus dem obersten Regalfach vom deutschen Hersteller Schwalbe. Damit wird klar, dass bei der Spezifikation des Bikes nicht auf Biegen und Brechen gespart wurde, sondern das Budget ganz bewusst an der richtigen Stelle eingesetzt wird.
Der Rahmen, das Herzstück des Bikes
Große, ja sogar kleine Innovationen sucht man am Alurahmen des Slide Trails vergebens. Dafür gibt es bereits in dieser Preisklasse ein Design, das sich von der Masse abhebt und zur CI von Radon passt. Das ist keine Selbstverständlichkeit und durchaus mit Aufwand in der Fertigung und Konstruktion verbunden.
Beim Hinterbau vertraut man auf Bewährtes. Mit 4-Gelenken lassen sich exzellente Kinematiken konstruieren. Für mehr Haltbarkeit könnten die Lagerpunkte durchaus größer ausfallen. Boutique-Hersteller wie Raaw wissen hier zu begeistern. Radon, und die allermeisten anderen Hersteller, machen sich an dieser Stelle das Leben einfach.
Das Pressfit Tretlager ist zwar immer noch ein aktueller Standard, aber immer mehr Hersteller wenden sich davon ab. Geschraubte BSA Tretlager erhöhen die Servicefreundlichkeit für Biker einfach enorm, weshalb verpresste Tretlager mehr und mehr aus der Mode kommen. Alles in allem gibt sich der Rahmen in keiner Disziplin eine Blöße. Mit etwas Staub auf dem Lack erfüllt er dennoch die Erwartungen, die man in dieser Preisklasse haben darf. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Testeindrücke auf dem Trail: Mit Ups and Downs
Eine Pille, die man bei günstigen Bikes immer schlucken muss, ist ein relativ hohes Gewicht. Mit 15,6 Kilogramm ohne Pedale in Größe L gewinnt das Radon Slide Trail AL keinen Bergpreis. Es spielt damit in einer Liga mit deutlich abfahrtslastigeren, aber auch deutlich teureren Bikes.
YTs Jeffsy oder Canyon Spectral, aus unseren vergangenen Tests, waren jeweils fast doppelt so teuer wie das Radon Slide Trail AL, wogen aber ähnlich viel. Man kommt den Berg mit diesen Bikes hoch, muss sich aber vor allem bei langen Anstiegen etwas Zeit lassen. Das Angenehme beim Radon Slide Trail AL: Der Hinterbau ist auch im offenen Dämpfermodus erstaunlich ruhig. Ein Bike mit 150 mm an der Gabel will aber ohnehin mehr bergab als bergauf begeistern.
Neigt sich der Trail Richtung Tal, gerät das Gewicht ins Hintertreffen und das Radon Slide spielt seine Vorzüge aus. Die Kombination aus hochwertigen Reifen und guter Federgabel sorgt für viel Grip am Vorderrad. Die Bremse verzögert mehr als standesgemäß, was einem stets ein sicheres Gefühl gibt. Der Hinterbau kommt mit seinem 140 mm Federweg vor allem bei schnellen Trailfahrten spürbar eher ins Limit als die Gabel. Wenn es ernst wird, geht ihm der Federweg einfach früher aus. Alles in allem aber eine Kritik, mit der man leben kann. Bei gemäßigtem Tempo tritt der Effekt ohnehin kaum in Erscheinung.
Bei der Geometrie hat sich in den letzten Jahren der Trend zu flacheren Lenkwinkeln und höheren Reach-Werten herauskristallisiert. Hier ist Radon mit 65,6 Grad bzw. 464 mm Länge des Hauptrahmens in Größe L auf der konservativen Seite. Das Ergebnis auf dem Trail: Das Bike fährt sich auch im verwinkelten Gelände erstklassig.
Bei hohem Tempo im rauen Gelände fehlt es ihm aber etwas an Laufruhe. Es ist eher ein Kurvenräuber wie ein Bügeleisen und hat damit einen klaren Charakter. Vor allem viele Einsteiger dürften das direkte Handling ansprechen.
Alle Radon Slide Modelle auf einen Blick
Fazit zum Radon Slide Trail 8.0
Die gute Nachricht: Das Radon Slide Trail AL macht mächtig Spaß. Die schlechte Nachricht: Mit Blick auf die hochpreisigere Konkurrenz wird klar, dass an manchen Stellen noch Luft nach oben ist.
Das Radon liefert gemessen an seinem Preis eine sehr gute Leistung ab, die in diesem Preisbereich so schnell kein anderer Hersteller toppt. Man kann dank guter Reifen, einer soliden Bremse und der guten Gabel selbst die gröbsten Trails von Finale Ligure in Angriff nehmen.
Je mehr man das Gas stehen lässt, desto mehr muss man jedoch bei Hinterbau und Geometrie zu Kompromissen bereit sein. Allerdings muss man die Kritik immer auch in Bezug auf den aggressiven Preis einordnen.
Alles, was man bemängeln kann, kann auch als purer Luxus bezeichnet werden. Und purer Luxus ist letztendlich eher was für Golfer, als für Biker.