Giant Faith Mini Mullet im Test
Wenn der Nachwuchs den Wunsch nach einem Mountainbike Fully äußert, wird es für die Eltern anstrengend. Denn wer den Wunsch seiner Kids verstehen oder sogar erfüllen will, stellt schnell fest: Es gibt eine große Auswahl, es wird teuer, und die Unterschiede zwischen den Optionen sind oft schwer zu greifen. Sticht das neue Giant Faith aus der Masse der verfügbaren Kinderfullys heraus oder nicht?



Ab wann lohnt sich ein Mountainbike-Fully für Kinder oder Jugendliche?
In vielen Fällen ist ein Fully für Kinder oder Jugendliche Unsinn. Denn um die Vorteile eines Fullys wirklich ausnutzen zu können, braucht dein Kind nicht nur eine extrem gute Fahrtechnik, sondern auch dementsprechende Strecken.
Auf normalen Waldwegen und auf leichten Trails kommen Kinder mit einem Hardtail ohne gefedertes Heck oft sogar besser klar. Diese kosten in etwa die Hälfte von einem Fully und sind deutlich leichter. Und gerade weil Kinder selbst noch wenig wiegen, ist das Verhältnis aus Bike- zu Fahrergewicht essenziell für den Fahrspaß.
Fullys lohnen sich tatsächlich nur, wenn dein Kind exzessiv auf Trails unterwegs ist und ihr regelmäßig Bikepark besucht. Im normalen, alltäglichen Gebrauch, auf leichten Trails oder in Anstiegen schränken Fullys den Spaß durch ihr höheres Gewicht oft sogar ein. Außerdem lernen Kinder mit Hardtails eine viel sauberere Fahrtechnik, die ihnen im Erwachsenenalter noch zugute kommt.
Kurzum: Ein Fully lohnt sich meist nur, wenn Papa und Mama das eigene Hobby intensiv zusammen mit den Kindern ausleben wollen, die Abfahrt dabei im Fokus steht und das Kind mindestens 120 cm groß ist (auf ein 24 Zoll Bike passt). Fürs gelegentliche Mountainbiken brauchen Jugendliche kein Fully wie das Giant Faith.


Darum sind Fullys für Jugendliche und Kinder teuer
Wenn feststeht, dass sich ein Fully für dein Kind wirklich lohnt und die richtige Wahl ist, wird am Beispiel des Giant Faith ganz klar, warum der Spaß schnell teuer wird. Teleskopstütze, Luftfahrwerk, Scheibenbremsen, Reifen mit extra Pannenschutz…
Ausgereifte Kinderfullys haben dieselben Bauteile wie vernünftige Mountainbikes für Erwachsene. Und auch für Erwachsene bekommt man unter 2000 € kein vernünftiges Fully. Erschwerend kommt hinzu, dass für Kinder aufgrund ihres geringen Gewichts oft Spezialteile zum Einsatz kommen.
Die Entwicklungskosten und die geringe Stückzahl, in der spezielle Kinderteile produziert werden, treiben den Preis nach oben. Deutlich wird das auch bei unserem Testbike, dem Giant Faith, wenn man auf die Sattelstütze oder das Fahrwerk schielt.

Die versenkbare Sattelstütze: Sinn oder Unsinn für Kinder?
Sowohl beim Fahrwerk, aber auch bei der Sattelstütze wird schnell klar: Giant baut mit seinem neuen Faith keinen Blender, sondern ein durchdachtes Kinderfully. Denn während viele Kinderfullys gar keine versenkbare Sattelstütze haben, trumpft Giant hier mit einem Modell, das sich besonders leicht nach unten drücken lässt.
Die Sattelstütze hat 10 cm Hub. In Kombination mit dem verbauten Sattel und dem 35 cm langen Sitzrohr des Rahmens lässt sich eine minimale Sitzhöhe von 54 cm (gemessen von der Mitte des Tretlagers zur Oberkante des Sattels) einstellen. Maximal lässt sich der Sattel auf 64 cm Sitzhöhe herausziehen.
Man kann die Sattelhöhe im ausgefahrenen Zustand also um 10 cm in der Höhe verstellen. Damit ist der Verstellbereich durch den Hub der Teleskopstütze deutlich eingeschränkt gegenüber starren Sattelstützen. Das ist ein klarer Nachteil, wenn Kinder schnell wachsen. Allerdings stellt das Faith mit seiner Ausrichtung ganz klar den Fahrspaß in den Mittelpunkt und da ist eine versenkbare Sattelstütze natürlich ein Trumpf. Denn sie erhöht die Bewegungsfreiheit auf dem Bike und sorgt so für mehr Sicherheit und Fahrspaß im Gelände bergab.

Fahrwerk mit extra leichtgängiger Dämpfung
Auch das Giant Fahrwerk ist, wie die Sattelstütze, mit speziellen Dämpfungskartuschen ausgestattet. Diese funktionieren bereits bei niedrigen Gewichten optimal und sind damit speziell für Kinder geeignet.
Bei den Fahrrädern für Erwachsene Biker kann Giant mit seinen Federgabeln den reinen Fahrwerksherstellern von Fox und Rock Shox im Einsteiger-Segment Paroli bieten. Diesen Eindruck bekommt man auch von den in Faith verbauten Federelementen.
Beide lassen sich mit der Luftkammer perfekt aufs jeweilige Körpergewicht des Kindes abstimmen. Hier hilft sogar eine stimmige Luftdrucktabelle. Sowohl Gabel als auch Dämpfer sprechen feinfühlig an. Die Gabel weist mit ihren 34er-Standrohren wenig Buchsenspiel auf. Mit 140 mm Federweg, die an der Front zur Verfügung stehen, können es Kids bergab wirklich krachen lassen.
Die Crest Federgabel ist vergleichbar mit Manitous Machete oder der X-Fusion Slant, welche an Kinderfullys häufig zum Einsatz kommt. Diese Modelle grenzen sich durch ihre Luftfeder und hochwertige Bauweise deutlich von billigen Gabeln ab. Sowohl Dämpfer als auch die Gabel lassen sich komplett blockieren.


Bremsen von Tektro
Bei einem Preis von über 2000 € hätte man eine Schaltung und Bremsen von Shimano oder Sram erwarten können. Stattdessen setzt Giant hier auf Produkte weniger bekannter Hersteller.
Die Tektro Bremsen funktionieren mit wenig Hebelweg und lassen den Bremshebel auch nah an den Lenker heranstellen. So können sie von Kindern gut bedient werden. Der Druckpunkt ist hart, die Power ausreichend bei Körpergewicht um die 40-50 Kilo. In den kleinen 160er-Bremsscheiben steckt noch etwas Tuningpotential, sollte die Power nicht reichen.
Auch wenn Tektro ein Hersteller ist, der große Stückzahlen produziert und für die Zuverlässigkeit seiner Bremsen steht, bekommt man bei anderen Bike-Firmen in dieser Preisklasse prestigeträchtigere Bremsanlagen. Selbes gilt für die Microshift Schaltung.


Was kann die Microshift-Schaltung?
Die Microshift Advent X Schaltung hat 10 Ritzel an der Kassette. Mit dem großen 48er-Ritzel ist man in Sachen Bandbreite (Unterschied zwischen größtem und kleinstem Gang) den aktuellen 1×12 Antrieben von Sram und Shimano etwas unterlegen. Mit 436 Prozent fällt die Bandbreite etwas gering aus. An steilen Bergen wird es anstrengend für Kids.
Rein von der Funktion her gibt es an der Schaltung nichts zu bemängeln. Der Schalthebel ist mit wenig Handkraft zu bedienen und die Schaltwerksdämpfung hält die Kette auch in groben Abfahrten zuverlässig auf den Ritzeln. Hier hält die Schaltung das Niveau aktueller Shimano-Gruppen.

13,5 Kilo - ist das leicht?
Wir haben das Giant Faith ohne Pedale mit 13,5 Kilo gewogen. In Anbetracht der abfahrtslastigen Ausstattung ist das noch verkraftbar. Denn die dicken Maxxis-Reifen, die große Federgabel und die Teleskopstütze drücken auf das Gewicht.
Zum Vergleich: Bikes wie das Cube Stereo 240 oder das Scott Ransom 600 wiegen minimal mehr. Obwohl das Cube kleinere Laufräder und keine Teleskopstütze hat. Giant gibt sich hier also keine Blöße. Im Vergleich mit einem Hardtail merkt man aber auch schnell, dass 13,5 Kilo in einer absoluten Betrachtung jenseits der Blase abfahrtsorientierter Kinderfullys, nicht outstanding sind.
Die leichtesten Hardtails mit 27,5 Zoll Reifen und Federgabel, wie das Cube Elite C:62 SLX Rookie, wiegen 10,4 Kilo. Wenn der Fokus mehr auf Touren und Strecke machen liegt, sind 3 Kilo weniger ein enormer Spaß-Booster. Der Einsatzbereich dieser leichten Bikes ist aber nicht mit dem Einsatzbereich des Giant Faith vergleichbar. Bikeparkausflüge, Sprünge, Tricksereien stehen nicht im Lastenheft solcher leichten Bikes.


Der Praxistest: Macht das Giant wirklich Spaß?
Natürlich haben wir das Giant Faith auch ausgiebig in der Praxis getestet. Luca Horak verbringt jede freie Minute auf seinem Mountainbike und träumt schon lange von einem Fully.
Er springt über Treppen, liebt es, wenn sein Vater mit ihm nach Saalbach zum Biken fährt und träumt von einer Karriere als Bikeprofi. Ganz wie Fabio Wibmer eben. Für den Traum trainiert er fleißig und nimmt, wenn immer möglich, an lokalen Rennen teil.
So kam das Giant Faith während unseres Tests sogar zur Ehre, beim King of Kelheim, einem Dual Slalom Rennen in Lucas Heimat, Rennluft zu schnuppern. Sein Fazit zum Giant Faith fällt er präzise und sehr differenziert.


Fahreigenschaften top – Details haben noch Verbesserungspotenzial
Dass Luca mit dem Giant Faith Spaß hatte, steht außer Frage. Hier sprechen die Bilder für sich. Und auch in seinem detaillierten Testbericht gibt es zu den Fahreigenschaften keine Kritik. Im Gegenteil: „Bremshebel ist leicht zu betätigen“, „gute Reifen“ und „Federweg reicht auch für hohe Sprünge“ lassen erahnen, dass Luca das Bike nicht geschont hat und sehr zufrieden damit war. Die Schräglage, die der 10-Jährige beim Dual-Slalom-Rennen anliegen lässt, unterstreicht auch die Qualität seiner Aussagen. Aber er findet auch Kritik in manchen Details.
So ist durch die hohe Flaschenhalterposition im Rahmen nur Platz für eine kleine Trinkflasche. Die Hinterbauschrauben lockerten sich im Testzeitraum mehrmals und die Kette schlägt im rauen Gelände deutlich hörbar auf dem Rahmen.

Positiv am Faith
- Top-Fahreigenschaften
- Fahrwerk auf Kinder abstimmbar
- Versenkbare Sattelstütze
Negativaspekte des Kinder-Fullys
- Sattelhöhe lässt sich nur um 10 cm verstellen
- Hoher Preis
- Geringe Bandbreite der Schaltung
Fazit zum Giant Faith
Das Giant Faith ist kein Kinderspielzeug, sondern ein ernst zu nehmendes Mountainbike für kleine Menschen. Geometrie, Fahrwerk und Ausstattung sind durchdacht gewählt. Der Rahmen hinterlässt einen hochwertigen Eindruck. Das Gewicht ist für ein Bike mit dieser Ausrichtung mit 13,4 Kilo gerechtfertigt. Wenn dein Kind bergab shredden will, ist das Faith ein exzellenter Partner dafür. Für 2399 € gibt es nur an kleineren Details eine Kritik. Durch die Teleskopstütze fällt der Verstellbereich der Sattelstütze relativ gering aus.