Racing is live #1
Raphaela Richters verpasst das Podium in Finale nur knapp

Im Interview hat Raphaela Richter ihr Saisonziel ganz klar formuliert: Das Podium im Enduro Worldcup. Beim 3. Lauf der EDR in Italien drehte sie den Gashahn ordentlich auf und holte gleich zwei Stage Siege. Aber ein rutschender Vorderreifen verwehrte ihr das Podium. Warum sie mit Platz vier Happy ist, verrät sie in ihrem ersten „racing is live“ Blog. Text: Raphaela Richter | Bilder: Niklas Wallner

Raphaela Richter
Mission Podium. Raphaela Richter ist Deutschlands schnellste Enduro Fahrerin und will 2023 wieder auf das Podium des Enduro Worldcups.

Unsere Athleten Blogs

In unserem Magazin zeigen wir nicht nur die spannendsten Räder der Saison. Hier berichten auch einige der besten Athletinnen und Athleten der ganzen Welt von ihrem Leben auf der Rennstrecke.

Während Lukas Baum und Georg Egger in den „Glagow Goals“ von ihrem Weg zur Marathon und Cross Country Weltmeisterschaft berichten, bloggt Raphaela Richter vom Enduro Worldcup. Raphalelas Vorgeschichte lest ihr hier im Interview. Wenn ihr den Newsletter in der Fußzeile abonniert, verpasst ihr keinen dieser Berichte.

Pizza, Pasta, Gelato

Für mich begann der Trip zum 3. Worldcup in Pietra Ligure schon 11 Tage vor dem Rennen. Alle Checklisten abgehakt, das Auto beladen stieg ich am Mittwoch Morgen ins Auto. Dankenswerterweise wurde ich in Frankfurt von unserem Teamfotografen Niklas Wallner aufgesammelt und dann hieß es erstmal 8 Stunden Roadtrip.

Mitten in der Nacht angekommen hatten wir also erst ab Donnerstag was von dem ligurischen Sonnenschein – die nächsten Tage haben wir direkt mit kleinen Ausfahrten sowie Shuttle Laps auf Finale‘s Classic Trails genutzt. Pizza, Pasta und Gelato kamen dabei natürlich nicht zu kurz!

Raphaela Richter
Als einzige Frau genießt den vollen Profi Support des Ibis Racing Teams. Teamcheff Robin Wallner (Rechts) weiß was es braucht um schnell Rennen zu fahren. Er war Jahrelang selbst auf den Rennstrecken dieser Welt unterwegs.
Raphaela Richter
Italienisches Flair, auch in den Pits.
Raphaela Richter
Vorbereitung ist alles. Ohne Gels, Riegel und Getränkepulver überlebt niemand eine Worldcup Woche

Testrennen zum Eingrooven

Da ich immer etwas mit Hitze und schwülen Temperaturen zu kämpfen habe, hat sich die frühe Anreise im Sinne der Akklimatisierung auf jeden Fall bewährt. Mein Belastungspuls hat sich ca. ab dem dritten Tag wieder etwas beruhigt und somit stand unserem geplanten „Testrennen“ am Sonntag (6 Tage vor dem Weltcup) nichts im Weg. Die Zeitnahme haben wir simpel mit unseren Suunto Pulsuhren per Hand genommen. Ziel war es lediglich mental in den Rennmodus zu finden.

Als Stages haben wir uns den oberen Teil des H-Trails, Ingenere top to bottom und Casa Bianca rausgesucht. Im Zeitenvergleich mit meinem Teamkollegen Cole war ich vor Allem mit der langen Abfahrt sehr zufrieden. Das hat mir schonmal einen kleinen Confidence Boost für das bevorstehende richtige Rennen gegeben.

Wie gewohnt wurden am Sonntagabend eine Woche vor dem Rennen die Strecken bekannt gegeben – die Rennwoche ist also offiziell eingeleitet! [Enduro hat sich in den letzten Jahren viel weiterentwickelt und mittlerweile sind die Gesamtwertungszeiten tendenziell kurz und es gibt nur noch einen Renntag, sprich Fehler werden schwerere Folgen mit sich ziehen.]

Daher habe ich mich dazu entschieden Anfang der Woche die kürzeren Stages 3-6 abzulaufen, um in dem einen Trainingslauf pro Stage am Donnerstag bereits annähernd auf Renntempo fahren zu können. Zumal es aufgrund des schwülen Wetters und Temperaturen zwischen 30-35 Grad fast täglich am Abend in den Bergen gescheppert hat, wollte ich wissen wie schnell der Boden abtrocknet.

Raphaela Richter
Raphaela holt zwei Stage-Bestzeiten in Pietra Ligure und war zwischenzeitlich sogar auf dem virtuellem Podium.

Training verläuft nach Plan

Am Donnerstag stand bei strahlendem Sonnenschein das Training an. Am Vormittag die zwei lehmigenund schottrigen Stages 5 und 6 am Monte Grosso, nach einer sehr gemütlichen Mittagspause wurden wir, wie auch im Rennen, auf knapp über 1000hm geshuttlet.

Von da aus ging es etwas wellig zu Stage 1 in Richtung Monte Carmo, wo wir dann doch noch ein paar Regentropfen abbekamen. Grundsätzlich waren die beiden langen Stages sehr gut auf Sicht zu fahren und es gab eigentlich nur eine Linie. Somit konnte ich von oben bis unten einen guten Fahrfluss behalten und mein Tempo nach und nach steigern.

Wieder aus der garstigen Gewitterwolke raus, ging es dann in Richtung Stage 3 und 4. Diese waren ebenfalls gut auf Sicht zu fahren bzw. hielten sie keine Linienwahloptionen bereit. Beide waren jedoch etwas tricky, weil der Boden extrem lose war und man sich für den Rennlauf zwei Tage später auf etwas einstellen musste, was eher einem von Wildschweinen umgegrabenen Garten gleichen würde. Am Ende hatten wir ca. 1500 selbstgetretene Höhenmeter und ca. 45km auf der Uhr stehen.

Da am Freitag erst die Open Klassen ihr Rennen bestritten, durften wir noch einen Ruhetag genießen. Dieser war gefüllt mit einem Physio Termin, Wäsche waschen, Sachen für den Renntag bereitlegen und seeehr viel essen und trinken.

Raphaela Richter
Staubig wars, was Raphaela letztendlich auch zum Verhängnis wurde.
Raphaela Richter
Was, ich hab eine Stage gewonnen?" In der Mittagspause war Raphaela von ihrer Leistung selbst überrascht.

Virtuelles Podium zu Mittagspause

Nach einer etwas unruhigen Nacht von Freitag auf Samstag, hatte ich am Renntag wie gewohnt einen ziemlich flauen Magen, mein Essen konnte ich aber drin behalten. Mit ein paar Atem und Achtsamkeitsübungen habe ich die Nervosität aber ziemlich erfolgreich zähmen können.

Im Vergleich zu den ersten beiden Weltcups in Tasmanien, fühlte ich mich viel selbstbewusster und wusste, dass ich mich in der Weltelite nicht mehr verstecken muss. Gesagt, getan. Stage 1 konnte ich mit einer Zeit von 9:29.210 auf dem vierten Rang in Schlagdistanz zur amtierenden Weltmeisterin Isabeau Courdourier beenden. Stage 2 war mit über 10 Minuten die längste: wieder Platz 4 aber nur ca. 2 Sekunden trennten Gloria Scarsi auf 2, Isabeau auf 3 und mich. Unangetastet Führende war weiterhin Morgane Charre.

Aber um ehrlich zu sein, wusste ich das alles während des Rennens überhaupt nicht. Ich finde es nur faszinierend zu beobachten wie eng es bei uns Frauen mittlerweile auch zu geht. Mitfiebern lohnt sich also!

Weiter gings mit Stage 3 und 4. Beide sehr kurz, intensiv und ausgefahren, aber ich habe es bis auf einen kleinen Fehler auf Stage 4 gut runtergebracht. Tatsächlich durfte ich sogar, wie ich im Nachhinein erfahren habe, meinen ersten Stagesieg seit 2019 auf Stage 3 feiern und einen 5. Platz auf Stage 4 kassieren.

Ab in die 20 minütige Mittagspause, in der ich mal etwas anderes als nur Riegel und Gel essen konnte und mein Mechaniker Anton das Rad checken konnte. Außerdem habe ich erfahren, dass ich gerade auf Platz 3 liege. Kurz habe ich mich schon gefreut, aber kam schnell zu dem Schluss, dass es noch zu früh dafür ist.

Wie den ganzen Tag schon, habe ich mich einfach auf den Moment und den nächsten Schritt fokussiert. Und der war nach der Mittagspause nochmal so schnell zu fahren wie möglich.

Raphaela Richter
Da liegen die Träume vom Podium in Staub von Stage 5.

Sandkasten statt Podium

Das ist mir größtenteils auch sehr gut gelungen. Aber eben nur größtenteils. Auf Stage 5 bin ich etwas träge in eine staubige Schikane gefahren, daraufhin zu spitz in die Kurve und mit dem Vorderrad weggerutscht. Und dann lag ich da und konnte mit dem Italienischen Sand spielen. Egal, aufstehen, weitermachen und Fokus für die letzte Stage wieder finden.
Diese lief wieder perfekt und boom – Bestzeit auf Stage 6!

Naja, aber der Fehler auf der vorletzten Stage war leider zu viel, um noch um das Tagespodium mitzukämpfen. Im Worldcup geht es nun mal eng her. Mit 10 Sekunden Rückstand auf das Podium landete ich auf Rang 4.

Kurz konnte ich schon Podiumluft riechen, aber es hat wohl noch nicht sein sollen. Im Großen und Ganzen bin ich aber mega glücklich, endlich wieder auf der großen Bühne mein Potential ausgeschöpft zu haben und die Nerven zusammen gehalten zu haben. Die nächste Chance klopft schon am 15. Juni in Leogang an der Tür und ich hab Bock!

Die schnellsten Bikes vom Worldcup in Pietra Ligure

Auf bike-test.com liegt eigentlich der volle Fokus aufs Material. Deshalb stellen wir euch immer die schnellsten Bikes von den Wettkämpfen zu unseren Blog Serien vor. So könnt ihr nicht nur von den Ausstattungen träumen, sondern auch die Geometrie der Bikes eins zu eins vergleichen.

Klar ist dabei: die Profi Bikes weichen von der Ausstattung minimal ab. Jesse Mellamed gewann bei den herren auf einem Canyon Strive, Morgane Charre war mit ihrem Pivot die schnellste Frau.

Wer ernsthaft mit dem Gedanken spielt sich ein neues Enduro zu holen, der findet hier eine komplette Kaufberatung mit den besten 2023er Modellen.

Über den Autor

Ludwig

... hat mehr als 100.000 Kilometer im Sattel von über 1000 unterschiedlichen Mountainbikes verbracht. Die Quintessenz aus vielen Stunden auf dem Trail: Mountainbikes sind geil, wenn sie zu den persönlichen Vorlieben passen! Mit dieser Erkenntnis hat er bike-test.com gegründet, um Bikern zu helfen, ein ganz persönliches Traumbike zu finden.

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