Comeback des Hardtails?

Canyon Grand Canyon im Test

Das Canyon Grand Canyon wurde auf Diät geschickt. In der 1700 € Preisklasse ist es mit 12,7 Kilo ein Leichtgewicht. Mit seinen 120 mm Federweg, der Teleskopstütze und einer neuen Geometrie ist das Bike vielseitiger aufgestellt denn je. Wir haben das Bike für einen gründlichen Test ordentlich über die Trails gescheucht.

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Die Welt der Mountainbikes scheint sich immer stärker auf eines zu konzentrieren: Abfahrt. Enduro-Bikes dominieren die Feeds, E-Bikes erobern die Trails. Und wer sich einst für klassische Hardtails aufgrund ihrer simplen Technik interessierte, findet sich heute oftmals im Lager der Gravelbiker wieder.

In den letzten Jahren wanderten viele Biker, die früher zum Hardtail griffen, zum Gravelbike. Leicht, sportlich, vielseitig – so lautet das Versprechen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn im Gelände stoßen Gravelbikes schnell an ihre Grenzen: Der gebogene Lenker erschwert die Kontrolle, der schmale Reifen begrenzt den Einsatzbereich, und ohne Federgabel werden Wurzeln zur echten Herausforderung.

Das Canyon Grand Canyon tritt an, diese Lücke zu schließen – und zeigt, dass ein modernes Hardtail mehr kann, als sein Ruf vermuten lässt. Für Touren, Bikepacking, Alpenüberquerungen oder einfach den Feierabendtrail ist dieses Bike mehr als nur eine solide Wahl.

Canyon Grand Canyon Test
Das Canyon Grand Canyon wurde 2023 komplett neu entwickelt. Mit leichterem Rahmen und vielen Optionen ist es vielfältiger denn je und vor allem vielfältiger als viele Konkurrenten.
Canyon Grand Canyon Gepäck
Mit üppigen Montagemöglichkeiten für Trinkflaschen, Werkzeug und Taschen will es auch Abenteurer ansprechen.
Canyon Grand Canyon Erfahrung
Dank des geringen Gewichts hat das Hardtail einen sportlichen Charakter.

Gewichtsoptimierung auf ganzer Linie

Mit 12,7 kg (ohne Pedale, aber mit Schläuchen) ist das Grand Canyon AL deutlich leichter als viele vergleichbare Trail-Hardtails. Und vor allem fast 1 Kilo leichter als sein Vorgänger. Das Gewicht ist bei 120 mm Federweg und der verbauten Teleskopstütze in der Preisklasse unter 2000 € einzigartig. Canyon erreicht das durch zwei gezielte Maßnahmen:

  • Leichter Rahmen: Der überarbeitete Aluminiumrahmen bringt nur unter 1900 Gramm auf die Waage – ein Top-Wert in der Preisklasse unter 2000 €. Zum Vergleich: Der alte Rahmen wog noch 2200 Gramm.
  • Cleveres Laufrad-Setup:: Statt auf breite 30-mm-Felgen und dicke 2,4er-Reifen zu setzen, verbaut Canyon 25-mm-Felgen mit 2,25er-Reifen. Dadurch spart man rund 400 Gramm rotierende Masse – spürbar beim Antritt, besonders bergauf.
Canyon Grand Canyon Vorgänger
Der Vorgänger des aktuellen Grand Canyon war fast 1 kg schwerer bei gleichem Preis.
Rahmengewicht
Litevilles H3 Rahmen kostet in etwa so viel wie bei Canyon das Komplettrad und ist nur wenige Gramm leichter.

Tourenfreundliche Ausstattung

Canyon hat den Rahmen nicht nur leichter, sondern auch vielseitiger gemacht und unterstreicht das mit vielen Features und Optionen, die in dieser Ausprägung so nicht normal sind:

  • Drei Flaschenhalterpositionen
  • Ösen für Oberrohrtaschen
  • Toolmount am Unterrohr
  • Gepäckträgermontage möglich
  • Montagepunkt für Seitenständer
  • Kompatibles Bikepacking-Zubehör bei Canyon erhältlich

Diese Features machen das Grand Canyon zur echten Allzweckwaffe – vom Arbeitsweg bis zum Bikepacking-Abenteuer.

Montagemöglichkeiten
Die "Arschrakete" ist zum Symbol für abenteuerlustige Biker geworden. Canyon bietet diese und eine Tasche für das Rahmendreieck im Webshop optional mit an.
Seitenständer-Anschraubpunkte
Unter der Bremse lässt sich ein Seitenständer für den Alltag montieren.
Oberrohr-Anschraubpunkte
Am Oberrohr lässt sich ein Werkzeugtäschchen montieren, mit permanentem Zugriff, auch während der Fahrt.
Tool Mount-Anschraubpunkte
An der Unterseite des Oberrohrs lässt sich ein Werkzeug montieren.
Gepäckträger-Anschraubpunkte
Am hinteren Rahmendreieck befinden sich auch Aufnahmepunkte für einen Gepäckträger.

Praxisnahe Techniken

Die Ausstattung ist bewusst gewählt und meistert den Spagat zwischen Performance und Wartungsfreundlichkeit. Gerade bei einem Bike, das über das Internet gekauft wird, ist das ein großes Thema.

Auch wenn Canyon gerade seine Strategie mit einem ersten Flagshipstore in München etwas anpasst, muss man auf lange Sicht hier öfter mal selbst Hand anlegen, wenn das Bike Mucken macht. Hier ist man froh darüber, dass sich Canyon für wartungsfreundliche Features am Rahmen und Bauteile entschieden hat.

  • Geschraubtes BSA-Tretlager
  • Große Zugöffnungen am Tretlager für einfache Wartung
  • Shimano 4-Kolben-Bremsen mit ordentlicher Power
  • Shimano XT 1x12 Schaltung
BSA-Tretlager
Das BSA Tretlager lässt sich mit günstigem Werkzeug selbst wechseln.
Zugausgang
Die Öffnung für die innen verlegten Züge fällt mechanikerfreundlich groß aus.
Shimano SLX-Bremse
Die Shimano-Bremse mit 4 Kolben ist eine Bank in Sachen Wartungsfreundlichkeit und Bremspower.
Shimano XT-Schaltung
Die 1x12 Schaltung ist mittlerweile der Stand der Technik, der auch an Bikes jenseits der 5000 € Grenze verbaut wird.

Wofür ist eigentlich die Teleskopstütze gut?

Die absenkbare Sattelstütze ist ein echter Gamechanger auf dem Trail. Denn man muss so bergab keine Zwangsposition mehr weit hinter dem hohen Sattel einnehmen. Einfach kurz vor der Abfahrt das Knöpfchen am Lenker drücken und schon wandert der im Singletrail störende Sattel nach unten. Wir haben dazu auch einen großen Artikel hier.

Wer einmal mit so einer Stütze unterwegs war, möchte sie nicht mehr missen. Canyon verbaut in Größe M bereits eine Sattelstütze mit 170 mm Hub, was sehr üppig ist. Viele andere Hersteller haben hier nur 125 mm Hub.

Viel Hub bedeutet auch ein längeres Baumaß und um das im Rahmen unterzubekommen, hat Canyon extra die Flaschenhalterösen nach außen verlegt. Hier zeigt sich: Es wurde kein Detail übersehen.

Teleskopsattelstütze
Wirkt unscheinbar, macht aber einen großen Unterschied: die versenkbare Sattelstütze.
Flaschenhalterösen
Die Ösen für den Flaschenhalter werden außen ans Sitzrohr angelötet. So lässt sich die Sattelstütze komplett ins Rohr schieben.
Teleskopattelstütze
Mit dem tiefen Sattel steigt die Bewegungsfreiheit auf dem Bike, und damit auch der Fahrspaß.

Moderne Geometrie - Sitzposition mit vielen Optionen

Mit einem Lenkwinkel von 66°, Reach von 470 mm (Größe L) und einem tiefen Tretlager (65 mm Drop) ist das Grand Canyon nicht nur tourentauglich, sondern vermittelt auch Sicherheit auf Trails. Bis auf Größe XS (27,5 Zoll Laufräder) rollt es auf 29-Zoll-Laufrädern, was den Komfort und die Geländegängigkeit weiter verbessert.

Dank dem kurzen 45 mm Vorbau sitzt man nicht zu sportlich auf dem Grand Canyon. Wer das will, hat aber die Option. Denn das kurze Steuerrohr lässt eine tiefe Montage des Lenkers zu. Wer wirklich sportlich sitzen will, sollte aber auch in einen längeren Vorbau investieren. Für ca. 20 € stehen einem hier alle Optionen offen.

Apropos Sport: Die Gabel lässt sich nicht vom Lenker aus blockieren. Wer diese für einen Sprint oder einen langen Asphaltabschnitt sperren will, muss zum Lenker greifen. Kein Beinbruch, wie wir meinen, denn ein Lenkerlockout bedeutet auch ein zusätzliches Kabel und ein defektanfälliges Bauteil mehr am Bike. Bei einem Bike, das nicht per se auf den Wettkampf ausgelegt ist, ist uns die Lösung ohne Fernbedienung fast lieber.

Sitzposition Canyon Grand Canyon
Die Sitzposition fällt trotz langem Hauptrahmen aufrecht aus.
45 mm Vorbau
Der kurze 45 mm Vorbau lässt einen komfortabel im Sattel Platz nehmen. Sportliche Fahrer werden einen längeren montieren.
Montagemöglichkeit Vorbau
Pfiffig: Im kleinen Viereck lassen sich Tachohalter montieren.
120 mm Gabel
An der Front stehen 120 mm Federweg zur Verfügung. Damit hat man etwas mehr Reserven als mit den puristischen 100-mm-Bikes.
Lockout
Die Gabel lässt sich nur mit einem Griff am Gabelholm blockieren. Einen Lenkerlockout gibt es nicht.

Fahrgefühl und Handling im Gelände

Der ab Werk verbaute 45 mm Stummelvorbau macht das Handling super direkt. So setzt das Bike jede Bewegung am Lenker direkt in eine Richtungsänderung auf dem Trail um. Mit seinen 120 mm Federweg (normal sind 100 mm) der Teleskopsattelstütze und der außergewöhnlich starken Bremse kommt im Gelände zu jeder Zeit sicheres Fahrgefühl auf.

Dass die Reifen etwas schmaler und vom Profil her nicht super aggressiv ausfallen, merkt man selbst auf anspruchsvollen Trails kaum. Solange diese trocken sind, bieten die 2,25er Schwalbe Rocket Ron genügend Grip. Auch hier muss man Canyon zu der Entscheidung zu leichten Reifen gratulieren. Denn damit wird das Bike vielfältiger.

Mit 510 % Bandbreite an der Gangschaltung (aktueller Standard auch im High-End-Bereich) und den leichten Laufrädern und Reifen sind auch jederzeit lange Touren oder sogar Alpenüberquerungen möglich. Die minimalen Abstriche in Sachen Grip machen das Bike super vielfältig. Mit seiner Auslegung ist das Grand Canyon sogar breiter aufgestellt als das kürzlich von uns getestete und deutlich teurere Canyon Exceed Carbon Hardtail.

Canyon Grand Canyon Test
Im Gelände kommt Fahrspaß auf.
Reifenprofil
Das Profil der Rocket Ron Reifen fällt nicht üppig, aber ausreichend aus.
25 mm Felge
Mit 25 mm ist die Felge schmaler als normal. Das macht sie leichter und beflügelt den Antritt.

Pro & Contra: Das spricht für – und gegen – das Grand Canyon

Pro

  • Sehr gutes Gesamtgewicht für die Preisklasse
  • Zahlreiche Montageoptionen für Touren und Alltag
  • Durchdachte Ausstattung mit Fokus auf Vielseitigkeit
  • Gabel und Teleskopstütze sorgen für exzellentes Fahrverhalten auf dem Trail
  • Wartungsfreundlich dank einfacher Technik

Contra

  • Reifenwahl geht leicht zulasten des Grips auf groben Trails
  • Der kurze 45-mm-Vorbau passt nicht jedem.
  • Kein klar definierter Lockout-Rasterpunkt an der Gabel
Mountainbike-Hardtail unter 2.000 €
Unter 2000 € ist das Canyon Grand Canyon eines der vielseitigsten Bikes auf dem Markt.

Gravelbike oder Hardtail? Der direkte Vergleich

Viele Tourenfahrer stehen vor der Entscheidung: Gravelbike oder leichtes Hardtail? Das Grand Canyon schlägt sich hier gut – auch gegen das Canyon Grizl AL 6, das 100 € günstiger, aber 2 kg leichter ist.

  • Vorteile Gravelbike: Schneller auf Asphalt und feinem Schotter
  • Vorteile Hardtail: Vielseitiger, bessere Bremsen, komfortabler auf Trails, mehr Bandbreite (510 % vs. 400 %)

Kurz gesagt: Wer Trails nicht komplett ausschließt, bekommt mit dem Grand Canyon das deutlich universellere Rad.

Gravelbike vs. Hardtail
Selbst auf leichten Trails macht dieses Bike mehr Spaß als ein Gravelbike.

Fazit: Ein echter Geheimtipp für Tourenfans

Das Canyon Grand Canyon ist mehr als nur ein günstiges Hardtail. Es ist ein Statement für Vielseitigkeit, ohne dabei auf moderne Geometrie, gute Komponenten oder clevere Features zu verzichten. Canyon hat hier ein Bike gebaut, das Tourenfahrer begeistert – und auch im leichten Trail-Einsatz überzeugt.

Für unter 2000 € ein Bike mit dieser Ausstattung, unter 13 kg Gesamtgewicht und so vielen Einsatzmöglichkeiten zu finden, ist aktuell eine Seltenheit. Wer also ein leichtes, tourentaugliches MTB mit Allrounder-Potenzial sucht, sollte das Grand Canyon definitiv in Betracht ziehen.

Über den Autor

Ludwig Döhl

... hat mehr als 100.000 Kilometer im Sattel von über 1000 unterschiedlichen Mountainbikes verbracht. Die Quintessenz aus vielen Stunden auf dem Trail: Mountainbikes sind geil, wenn sie zu den persönlichen Vorlieben passen! Mit dieser Erkenntnis hat er bike-test.com gegründet, um Bikern zu helfen, ein ganz persönliches Traumbike zu finden.

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