pedalierbarer Abfahrtsspaß

Orbea Occam LT im Test

Orbea hat vergangenes Jahr das Occam spürbar weiterentwickelt. Mehr Steifigkeit, klare Modelltrennung (SL vs. LT) und durchdachte Geometrie sollen das Bike erwachsener machen. Wir haben sowohl die SL- als auch die LT-Version getestet, um zu sehen, ob das spanische Enduro wirklich eine gute Option für Trailshredder ist.

Orbea Occam LT-Test
Das Occam LT: 160 mm Federweg bei 14,6 Kilo. Ist es damit noch pedalierbar?

Orbea-Bikes haben in den letzten Jahren brutal an Beliebtheit gewonnen und den deutschen Markt stark geprägt. Lange war die Marke aus dem Baskenland hier in Deutschland eher zu vernachlässigen, aber die konsequente Weiterentwicklung der Produkte und vor allem der Services, die man den Kunden bietet, haben Orbea zum ernsthaften Player auch in Mitteleuropa gemacht.

Dabei geht Orbea viele Dinge anders an als seine Konkurrenten. Die Firma selbst ist genossenschaftlich organisiert. Statt Stangenware bietet man seinen Kunden über das MYO-Programm nicht nur die Möglichkeit, die Ausstattung, sondern auch die Farbe maximal zu individualisieren. Und für gewisse technische Problemzonen vertraut man nicht auf Lösungen von Zulieferern, sondern macht sich selbst an die Lösung des Problems. Mit diesem eigenständigen Charakter grenzt sich Orbea ganz klar von anderen Marken ab.

In anderen Testberichten haben wir bereits ein Auge auf das Orbea Occam SL und das Orbea Oiz geworfen. Das Orbea Rise LT hat bei unserem Schwesterportal EMTB-Test.com sogar den Editors Choice Award gewonnen. In diesem Test beschäftigen wir uns ausschließlich mit dem Orbea Occam LT. Das Enduro hat 160 mm Federweg an der Front und 150 mm im Heck, 29er Laufräder und bleibt mit deutlich unter 15 Kilo noch gut pedalierbar.

Orbea Occam LT
Mit 160 mm Federweg in der Front zählt es bereits zu der Klasse der Enduros.
Fox-Dämpfer
Der Dämpfer im Heck bietet 150 mm Federweg. Mit seinem Ausgleichsbehälter bleibt er auch auf langen Abfahrten stabil.
Orbea Occam Staufach
Das Staufach ist nur eines der vielen praktischen Gimmicks am Orbea Occam.
Orbea Occam Staufach
Für das Staufach liefert Orbea eine Rahmentasche, in die ein Ersatzschlauch, eine Salami und eine Kartusche klapperfrei reinpassen.

Details machen das Orbea Occam spannend.

Orbea rockt in der Entwicklung nicht das 08/15-Programm ab. Klar wird das vor allem mit Blick auf die Details. Denn der asymmetrische Hauptrahmen hat nicht nur ein Staufach für den Ersatzschlauch. In der Achse des Hinterbaurockers und in der Hinterradachse versteckt sich jeweils auch ein Minitool bzw. Werkzeug. So kann man auf die kurze Feierabendrunde komplett ohne Rucksack ausrücken. Das gefällt.

Außerdem ist der Rahmen ab Werk mit einer stylischen Rahmenschutzfolie überzogen, um den Lack zu schützen. Formschlüssige Gummiteile bzw. Schutzbleche an Kettenstrebe und Hinterbaulager machen die Fahrt leise und halten Dreck aus Ecken fern, wo man ihn nicht haben will. Und die Hinterbauachsen sind mit zusätzlichen Klemmungen am Gewinde versehen, damit sie sich nicht lockern.

Bei unserem Testbike werden die Züge noch durch den Steuersatz verlegt. Orbea bietet hier aber für zukünftige Modelle die Wahl, diese auch nicht durch den Steuersatz, sondern direkt am Unterrohr in den Hauptrahmen laufen zu lassen. Wer sich aktuell ein Testbike bei Orbea bestellt, kann hier wählen. All die Details zeigen: Orbea beschäftigt sich wirklich intensiv mit Kleinigkeiten, die das Leben für Biker angenehmer machen.

Orbea Occam Steuersatz
Bei Orbea ist volle Individualisierbarkeit geboten. Bei den neuesten Occam Modellen kann man zwischen Zugverlegung durch den Steuersatz und klassischer Verlegung wählen.
Orbea Occam Achse
Der 6er-Inbus an der Hinterradachse ist entnehmbar.
Orbea Occam Tool
In der Achse des Hinterbau-Rockers ist ein weiteres Minitool versteckt.
Hinterbaulagerung Orbea Occam
Pfiffig. Die Hinterbauachsen sind mit einer zusätzlichen Klemmung gesichert. So drehen sie sich nicht locker.
BSA-Tretlager
Mechaniker lieben es: Das geschraubte BSA-Tretlager erleichtert den Service.

Kletterkumpel?

Für ein Bike mit 160 mm Federweg klettert das Orbea Occam SL exzellent. Denn ein Gewicht von unter 15 Kilo (14,6 kg in Größe L ohne Pedale, um genau zu sein) ist 2025 keine Selbstverständlichkeit für ein Bike, das wir aufgrund seines Federwegs schon als Enduro klassifizieren. Das Orbea Occam LT ist leicht, der Dämpfer lässt sich mit einem Griff an den „Firm“-Hebel beruhigen und die Sitzposition fällt weniger aufrecht aus als bei anderen Enduros. Der Hinterbau bleibt dank eines Anti-Squat-Werts von über 100 % im Bereich des Sags auch ohne Lockouthebel relativ ruhig.

Das Orbea Occam LT steckt locker auch mal Touren mit 1500 hm weg, ohne die Oberschenkel komplett zu killen. Wer seinen Schwerpunkt aber nicht auf den Spaß im Singletrail, sondern auf lange Touren in den Alpen legt, ist mit dem Occam SL dennoch deutlich besser beraten. Denn bei der SL-Version lässt sich das komplette Fahrwerk vom Lenker aus blockieren und das Bike ist nochmals 1 Kilo leichter. Die Prioritäten, welche das Occam LT setzt, sind ganz klar: Es will bergab Spaß machen.

Orbea SquidLock
Bei der LT-Version gibt es keinen Lenker-Remote wie am SL, um den Dämpfer zu sperren. Jedoch kann er durch einen Handgriff gesperrt werden. Der linke Daumen kann nur den Hebel der Sattelstütze bedienen.
DT Swiss Naben
Bei den Naben setzt Orbea auf solide 350er Naben von DT Swiss.
OQUO Laufräder
Die hauseigenen OQUO Felgen speicht Orbea in Spanien ein. Die Laufräder fallen leicht aus und waren bei unserem Test durchaus stabil.

Unser Testeindruck vom Orbea Occam LT im Singletrail

Das neue Occam LT fühlt sich steifer und souveräner an als die SL-Version. Obwohl sich beide Bikes denselben Hauptrahmen teilen, machen die 36er-Gabel und auch die stabileren Reifen den entscheidenden Unterschied auf dem Trail. Auch beim harten Anbremsen, im Geröll oder bei Landungen hat man hier stets das Gefühl, dass das Bike den Fahrerinput perfekt umsetzt.

Orbea Occam Test
Wurzeln, Steine, steile Abfahrten. Das Occam LT schreckt im Praxistest vor nichts zurück.

Durch sein geringes Gewicht ist das Occam LT eines der wenigen 160er-Bikes, das auch auf flachen, flowigen Passagen Spaß macht. Denn es braucht keine Nackenmuskulatur eines Bodybuilders, um das Bike zur spontanen Flugeinlage oder zum Richtungswechsel zu überreden.

Anders als bei vielen Enduros hat der Hinterbau einen relativ hohen Anti-Rise-Wert. Im Bereich des Sags liegt der bei ca. 100 %. Das heißt: In dem Bereich hat die Hinterradbremse keinen Einfluss auf den Hinterbau. Auf den ersten 40 mm Federweg liegt dieser aber deutlich über 100 %, was den Hinterbau beim Anbremsen in diesem Bereich stabilisiert und nach unten drückt. So kommt ein sehr definiertes Gefühl der Hinterradfederung in der Abfahrt zustande.

Natürlich haben wir das Occam LT nicht nur auf dem Trail gefahren, sondern auch unsere Kinematik-Analyse angeschmissen.

Mit der Tretlagereinstellung auf „Low“ fällt das Tretlager auf tiefe 36 mm unter die Nabenachse. Geil in Kurven und wenn es steil wird. Auf flowigen Trails war die Balance aber geiler im „High“-Setting. Je nach Terrain auf dem Hometrail ist das High-Setting hier definitiv einen Versuch wert. Der Unterschied zwischen den Einstellungen ist spürbar.

Das neue Occam „verschwindet unter dem Fahrer“ – es lenkt nicht vom Trail ab, sondern unterstützt, egal ob in flowigen Passagen oder im ruppigen Gelände. Verglichen mit Bikes wie Ibis Ripmo, Yeti SB140 oder Stumpjumper Evo ordnet es sich klar in der Liga der vielseitigen Allrounder ein, mit einer leicht verspielteren Note.

Flip-Chip
Über die hintere Dämpferaufhängung kann die Geometrie binnen Sekunden verstellt werden. Das Occam ist eines der wenigen Bikes, bei denen es sich lohnt, das High-Setting zu probieren.
Lenkeroptik
Der Lenker wirkt aus der Fahrerperspektive sehr aufgeräumt. Die Zugführung durch den Steuersatz hat ihre Anhänger, aber auch Kritiker. Bei den neuen Occam-Modellen kann man deshalb auch eine Zugführung wählen, die nicht durch den Steuersatz geht.
Fox 36 Factory
Mit der Fox 36 Factory bleiben keine Einstellungsmöglichkeiten unberücksichtigt.
Dämpfer Druckstufe
Am Dämpfer kann man zum Glück nur eine Druckstufe verstellen. Das macht das Setup einfacher.
Die doppelte Verstellung der Zugstufe an der Gabel ist dagegen superkomplex.
Fox Rebound-Setup
Fox weiß das und hilft deshalb mit einer üppigen Setup-Tabelle am Gabelholm. Bedienerfreundlichkeit sieht aber anders aus.
Kettenstrebenschutz
Ein Kettenschlag-Schutz ab Werk ist mittlerweile Standard, die Rahmenschutzfolie von Orbea jedoch nicht.
Kettenführung
Eine minimalistische Kettenführung ist ab Werk an jedem Occam LT montiert.

Pro

  • steiferer Rahmen
  • sehr vielseitig, von Tour bis Enduro-Rennen
  • verspieltes Handling
  • moderne Geometrie
  • schicke Details
  • über MYO individuell konfigurierbar

Contra

  • relativ teuer (aktuell aber oft rabattiert)
  • Fahrwerkssetup komplex
  • nur spezifische Spacer möglich
Orbea Occam LT Testbericht
Eins wurde klar, das Orbea Occam LT bringt frischen Wind in das Enduro-Geschäft.

Fazit zum Orbea Occam LT

Das Orbea Occam 2024 ist ein Enduro, das endlich nicht beim Gewicht völlig über die Stränge schlägt. Mit seinen 160 mm Federweg und unter 15 Kilo vereint es Verspieltheit mit genügend Reserven für härteres Terrain. Damit ist es ein sehr guter Allrounder und positioniert sich ganz klar als perfekte Alternative zu Klassikern wie dem Santa Cruz Hightower, die bei gleichem Federweg immer schwerer werden oder deutlich teurer sind. Stimmige Details runden den sehr guten Eindruck des Testbikes ab.

Mountainbike-Kategorie Kaufberatung
Stay tuned: Demnächst bringen wir auch einen Systemvergleich, wo wir drei identisch ausgestattete Bikes von Orbea mit unterschiedlichem Federweg vergleichen. Wer vor einer Kaufentscheidung steht, sollte sich diesen Bericht auf jeden Fall ansehen.

Über den Autor

Ludwig Döhl

... hat mehr als 100.000 Kilometer im Sattel von über 1000 unterschiedlichen Mountainbikes verbracht. Die Quintessenz aus vielen Stunden auf dem Trail: Mountainbikes sind geil, wenn sie zu den persönlichen Vorlieben passen! Mit dieser Erkenntnis hat er bike-test.com gegründet, um Bikern zu helfen, ein ganz persönliches Traumbike zu finden.

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