hoher Drehpunkt, wenig Federweg

Forbidden Druid V2 im Test

Die junge kanadische Marke Forbidden zeigt dem Mainstream den Mittelfinger. Mit extravagantem High Pivot Hinterbau und eigenständigem Design sticht das Druid V2 zumindest optisch aus der Masse der Bikes heraus. Aber tut es das auch auf dem Trail?

Forbidden Druid V2 Test
Schaut sexy aus. Aber ist der High Pivot Hinterbau auch ein Gamechanger auf dem Trail?

Während sich ikonische Mountainbike-Modelle wie das Specialized Stumpjumper immer mehr dem Mainstream annähern, schlägt Forbidden den entgegengesetzten Weg ein. Mit ihrem High-Pivot-Hinterbau setzen die Kanadier einen klaren Fokus auf Technik und Performance des Hinterbaus. In diesem Testbericht werfen wir einen genaueren Blick auf das Bike, das sich mit nur 130 mm Federweg im Heck sowohl im Bikepark als auch bei anspruchsvollen Enduro-Trails behaupten will.

High Pivot-Hinterbau
Der hohe Hauptdrehpunkt am Hinterbau gehört zur DNA von Forbidden wie die Schweißraupen zu Nicolai.
Rocker-Link
Der liegende Dämpfer wird über einen Rocker-Hebel angesteuert.
Forbidden Hinterbau
Der Rocker-Hebel komprimiert den Dämpfer und schiebt das Hinterrad konsequent nach hinten.

Was bringt eigentlich dieses „High-Pivot“?

High Pivots sind aktuell angesagt und das liegt nicht nur an der ausgefallenen Optik. Primär lässt sich die Raderhebungskurve mit so einem System perfektionieren. Anders als bei gängigen Hinterbausystemen mit tiefem Hauptdrehpunkt kann das Hinterrad über den kompletten Federweg nach oben-hinten ausweichen. Aufgrund der hohen Drehpunktlage verlängert sich die Kettenstrebe mit dem Einfedern. Das gibt dem Bike, wenn es tiefer in den Federweg geht, eine stabilere Lage auf dem Trail.

Der Hinterbau des Forbidden Druid V2 längt sich beim Einfedern um ca. 21 mm. Zum Vergleich: Bei einem aktuellen Canyon Spectral längt sich der Hinterbau nur um 2 mm. Möglich wird das durch den Rockerhebel, der das Hinterrad beim Einfedern konstant nach hinten schiebt.

Kinematik: Ein auf den Kopf gestellter Viergelenker

Die größte Veränderung gegenüber dem Vorgänger ist das neue Hinterbausystem des Forbidden Druid V2. Auch der Vorgänger hatte schon einen hohen Hauptdrehpunkt (High Pivot), war aber nur mit einem Single-Pivot-Design ausgestattet. Bei der V2 des Druid setzt man auf ein umgekehrtes Horst-Link-System. So rotiert das Hinterrad nicht auf einer einfachen Kreisbahn um den Hauptdrehpunkt. Das ermöglicht völlig neue Optionen beim Feintuning der Kinematik, und diese nutzt Forbidden auch.

Forbidden Druid V2 Test
Das Druid V2 hat nur 150 mm an der Front und 130 mm im Heck, will bergab aber ballern.

Hinterbaufunktion: Antriebsneutral - stabilisierend beim Bremsen

Trotz Ausrichtung auf den Abfahrtsspaß bleibt der Hinterbau beim Pedalieren völlig ruhig. Hier setzen die Entwickler auf einen hohen Anti-Squat-Wert der Federung, der das Heck beim Treten in allen Gängen antriebsneutral arbeiten lässt. Nerviges Dämpferwippen gibt es beim Forbidden Druid V2 nicht.

Den Anti-Rise-Wert legen die Entwickler ebenfalls sehr hoch. Im Bereich um den Sag liegt dieser deutlich über 100 %, was dafür sorgt, dass die Geometrie bei Bremsmanövern in diesem Federwegsbereich relativ gut erhalten bleibt. Auf flachen, flowigen Trails kommt so ein sehr direktes Fahrgefühl auf.

Forbidden Druid V2 Test
Der Hinterbau arbeitet stark progressiv und hat einen hohen Anti-Rise-Wert. So bleibt die Geometrie auf flowigen Trails gut erhalten.
Forbidden Druid V2 Erfahrung
Durch den langen Radstand (Kettenstreben) hat das Bike automatisch mehr Druck auf dem Vorderrad als andere All-Mountains. Das merkt man in flachen, offenen Kurven.

Geometrie und Handling

Die Geometrie des Bikes hat eine Besonderheit. Die Kettenstreben wachsen überproportional stark mit jeder Rahmengröße. Das sorgt für ein ausgeglichenes Fahrverhalten in allen Größen. Durch die tendenziell langen Kettenstreben steigt der Druck auf das Vorderrad. Das sorgt für mehr Vertrauen in schnellen, offenen Kurven. Auch in schwierigen Situationen bleibt das Bike gut kontrollierbar. Außerdem hat man das Gefühl, dass das Bike die Impulse vom Fahrer jederzeit präzise in Lenkbewegungen umsetzt.

Mitwachsende Kettenstreben mit jeder Rahmengröße sind kein großes Ding mehr in der Szene. Aber Forbidden lässt sie deutlich stärker mitwachsen als andere Hersteller. Die Kanadier ziehen ihre Überzeugungen einfach konsequent durch.

Klettern und Effizienz: Komfort auf langen Anstiegen

Die Geometrie lässt einen aufrecht auf dem Bike Platz nehmen. Dadurch kommt beim gemütlichen Pedalieren ein komfortables Gefühl auf. Mit 14,7 Kilo ohne Pedale ist das Bike aber auch kein Leichtgewicht für seinen überschaubaren Federweg. Das Specialized Stumpjumper 15 ist bei vergleichbarem Preis ein Kilo leichter. Canyons Spectral CF ist deutlich günstiger, wiegt aber dasselbe. Wer ein Leichtgewicht sucht, wird mit dem Forbidden Druid V2 nicht glücklich. Der Schnickschnack mit Umlenkrolle, großem Rocker und vielen Gelenken drückt einfach auf die Waage.

Specialized Stumpjumper 15 Gewicht
Das Stumpjumper 15 wiegt bei gleichem Federweg und ähnlichem Preis 1 kg weniger.
Canyon Spectral CF
Das Canyon Spectral CF bekommt man für den halben Preis und es wiegt mit ebenfalls 150 mm an der Gabel genauso viel wie das Forbidden.

Wartung und Pflege

Die Verarbeitung ist erstklassig, und es gab bei unserem Test keinerlei Verschleißerscheinungen. Noch etwas mehr als bei normalen Bikes sollte bei High-Pivot-Bikes regelmäßig die Kette gepflegt werden. Ein trockenes Kettenglied kann hier schnell für Geräusche und zusätzlichen Widerstand sorgen, was sich auf die Performance auswirkt. Solange der Antrieb gut gewartet wird, stellt dies jedoch kein Problem dar.

Forbidden Umlenkrolle
Je länger die Kette, desto wichtiger wird die Pflege. Sonst läuft sie schnell etwas rau über die 18 Zähne große Umlenkrolle.

Geräuschpegel und Komfort: Leise und angenehm

Eines der bemerkenswertesten Merkmale des Druid V2 ist seine geringe Lautstärke. Die Kettenführung und die gut durchdachte Rahmenkonstruktion machen das Bike extrem leise, was zu einem angenehmen Fahrerlebnis beiträgt. Auch auf schnellen Abfahrten und steilen Trails machen weder die Kette noch die innen verlegten Züge einen Mucks.

Gummischoner Forbidden
An den Gummischonern hat Forbidden nicht gespart. Der Hinterbau ist wirklich leise.
Die Züge verlegt Forbidden klapperfrei durch den Hauptrahmen und den Hinterbau.

Pro

  • direktes Fahrgefühl
  • leise
  • geile Optik
  • antriebsneutral

Contra

  • teuer
  • relativ schwer
  • wenig Federweg für abfahrtsorientierte Ausrichtung

Forbidden Druid Modell

Ganz ehrlich: Ein Bike wie ein Forbidden werden die meisten selber aufbauen wollen. Wer das nicht will, kann sich auch zwischen verschiedenen Modellen wählen. Den Rahmen alleine bekommt man aktuell zwischen 3000 und 4000 € im Onlinehandel oder beim Händler vor Ort. Auch spannend ist der Vergleich mit dem Santa Cruz Hightower und dem Specialized Stumpjumper. Alle Modelle und den Vergleich haben wir euch angelegt.

Fazit: Das perfekte Allround-Mountainbike?

Das Forbidden Druid V2 sieht extravagant aus und hat auch einen eigenen Charakter. Es fährt sich auf flachen Trails angenehm direkt. Im rauen Gelände hält es mehr Reserven bereit, als es die 130 mm Federweg vermuten lassen. Allerdings verlangt es mit seiner Geometrie auch nach einem aktiven Fahrstil, um sein Spaßpotential freizugeben. Gewicht und Preis fallen relativ hoch aus. Wer ein komfortables Tourenbike sucht, wird anderswo glücklicher. Wer mit wenig Federweg maximal ballern will, der findet hier den richtigen Partner. Die Kombination aus wenig Federweg und vollem Fokus auf die Abfahrt spricht enthusiastische Biker an.

Über den Autor

Ludwig Döhl

... hat mehr als 100.000 Kilometer im Sattel von über 1000 unterschiedlichen Mountainbikes verbracht. Die Quintessenz aus vielen Stunden auf dem Trail: Mountainbikes sind geil, wenn sie zu den persönlichen Vorlieben passen! Mit dieser Erkenntnis hat er bike-test.com gegründet, um Bikern zu helfen, ein ganz persönliches Traumbike zu finden.

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