Was bringts?
MTB Dämpfer mit Ausgleichsbehälter

Sollte dein nächstes Upgrade ein dickerer Dämpfer sein, oder reicht ein herkömmlicher Dämpfer für deine Trailjagd? Wir zerlegen den Mythos Ausgleichsbehälter, machen den Übergang von High-End-Boliden zu Budget-Fullys klar und prüfen, ob weniger manchmal mehr ist.

MTB-Dämpfer mit Ausgleichsbehälter
Ein moderner Mountainbike-Dämpfer ist ein Wunder der Technik. Aber was bringt eigentlich dieser Ausgleichsbehälter?

Als Biker kennen wir das Gefühl, wenn unsere Füße auf den Pedalen stehen, die Brise das Gesicht kitzelt und der Trail vor uns liegt – pure Magie. Doch um dieses Erlebnis voll und ganz zu genießen, ist es essenziell, dass das Bike unter uns gut funktioniert. Fullys mit einem Federweg von 140 mm und mehr bieten eine technische Finesse, bei der wir bei unseren Mountainbike-Tests regelmäßig ins Schwärmen geraten: den Ausgleichsbehälter.

Doch was genau bringt dieser Behälter und trennt er wirklich die Spreu vom Weizen? Günstigere Modelle verzichten oft auf diesen Luxus, während bei Fullys mit weniger als 130 mm Federweg der Ausgleichsbehälter gänzlich abwesend zu sein scheint. Wir graben tiefer in die Materie, um herauszufinden, wie dieser kleine, unscheinbare Zylinder das Fahrerlebnis beeinflusst und ob es sich wirklich lohnt, dafür ein paar extra Scheine auf den Tresen zu legen.

Piggyback-Dämpfer
Vor allem an abfahrtslastigen Bikes wie dem Canyon Spectral ist ein Dämpfer mit Ausgleichsbehälter Pflicht.
Rock Shox Super Deluxe Coil
Der Ausgleichsbehälter erhöht das Ölvolumen der Dämpfungseinheit des Dämpfers ungemein.

Was bringt der Ausgleichsbehälter am Mountainbike-Dämpfer?

Der Unterschied zwischen Dämpfung und Federung ist essentiell im Mountainbike-Universum. Während die Federung über die Luftkammer oder eine Stahlfeder eingestellt wird und für die Absorption von Unebenheiten und Schlägen verantwortlich ist, funktioniert die Dämpfung über einen internen Ölkreislauf im Dämpfer. Die Dämpfung wird auch als Druck- und Zugstufe bezeichnet und reguliert die Ein- und Ausfedergeschwindigkeit des Federelements. Ein Dämpfer mit Ausgleichsbehälter, auch Piggyback-Dämpfer genannt, ist ein bedeutendes Upgrade im Dämpfungssystem eines Bikes.

Ein Ausgleichsbehälter ist integraler Bestandteil der Dämpfungskomponente. Er stockt das Öl-Volumen, das in den Dämpfungskreislauf eines Dämpfers integriert ist, signifikant auf. Diese kapazitive Erweiterung, gepaart mit einer größeren Oberfläche, hat unmittelbare positive Effekte auf das thermische Verhalten des Systems. Beides, sowohl das erhöhte Ölvolumen als auch die erweiterte Oberfläche des Ausgleichsbehälters, fungieren als Puffer gegen Hitze. Sie ermöglichen es dem Dämpfer, Hitze effizienter zu verteilen und abzuführen.

Rockrider AM 100S
Günstige Bikes wie das Rockrider AM 100 S verzichten oft auf den Dämpfer mit Ausgleichsbehälter.
Manitou McLeod
Die Fertigung und Technologie des Ausgleichsbehälters kostet natürlich etwas Geld und ist deshalb in Fullys unter 2000 € nicht zu finden.

Vorteile von MTB-Dämpfern mit Ausgleichsbehälter

  • erhitzt weniger stark in Abfahrten
  • behält auch bei langen Abfahrten eine konstante Funktion
  • erhöht die Kontrolle auf dem Trail durch konstante Funktion.

Nachteile von MTB-Dämpfern mit Ausgleichsbehälter

  • wiegen ca. 150 Gramm mehr als Dämpfer ohne Ausgleichsbehälter
  • kosten etwas mehr.
  • benötigen mehr Bauraum im Rahmen und schränken dadurch die Konstruktion minimal ein
MTB-Dämpfer-Test
Wenn der Fahrspaß bergab im Vordergrund steht, wird ein Dämpfer mit Ausgleichsbehälter unverzichtbar.

Wann und warum wird ein Dämpfer warm?

Wenn du mit deinem Fully über einen technischen Trail jagst oder einen ruppigen Downhill meisterst, läuft dein Dämpfer auf Hochtouren. Jeder kleine Schlag, jeder Drop, jede Wurzel – dein Dämpfer fängt sie alle ab und setzt damit unglaubliche Mengen an kinetischer Energie um. Je dichter die Schläge aufeinander folgen, desto mehr Reibung entsteht durch das Ein- und Ausfedern und desto heißer wird das im Dämpfer zirkulierende Öl.

Was viele Biker nicht realisieren: Ein heißlaufender Dämpfer ist kein Mythos – wir reden hier schon bei kurzen Abfahrten von Temperaturen, die locker die 50-Grad-Marke überschreiten können. Mit zunehmender Öl-Temperatur verändert sich auch dessen Viskosität. Mit zunehmender Verflüssigung des Öls funktioniert die Dämpfung immer schlechter. Denn die Geschwindigkeit, mit der das Öl im Dämpferinneren durch kleine Bohrungen gepresst wird, um den Ölfluss zu regulieren, steigt, wenn das Öl dünnflüssiger wird.

Santa Cruz 5010
Doch der Dämpfer muss auch in den Rahmen passen.
RockShox Super Deluxe Dämpfer
Denn das externe Ölreservoir braucht deutlich mehr Platz im Rahmen als ein Dämpfer ohne Ausgleichsbehälter.

Was ist das Problem, wenn der Dämpfer warm wird?

Der Kern der Sache ist klar – die physikalische Charakteristik von Dämpfungsöl verändert sich erheblich mit ansteigender Temperatur. Es wird dünnflüssiger. Für uns Biker bedeutet das, dass die fein abgestimmten Zug- und Druckstufendämpfung rapide an Performance einbüßen, je wärmer der Dämpfer wird. Dies wirkt sich nicht nur marginal aus – nein, wir reden hier über spürbaren Leistungsverlust, der die Art und Weise, wie das Bike auf dem Trail reagiert, deutlich beeinflusst.

Ein unkontrolliertes Ausfedern ist mehr als nur lästig – es ist ein potentielles Sicherheitsrisiko. Nehmen wir an, du gibst auf einer Abfahrt Vollgas und dein Dämpfersystem verliert an Performance, weil es aufgrund der Temperatur nicht mehr richtig funktioniert. Die Folge? Der Hinterbau funktioniert nicht mehr so, wie du es gewohnt bist. Die Gefahr eines Kontrollverlusts in der Abfahrt steigt erheblich, wenn der Dämpfer ohne Regulierung (Dämpfung) ein- und ausfedert.

Eines der gefährlichsten Phänomene dabei ist, wenn der Hinterbau anfängt zu „kicken“. Sagen wir, du näherst dich einem Sprung, bereit für den Absprung, und dein Dämpfer ist bereits überhitzt. Jetzt, wenn die Performance der Zugstufe schon nachgelassen hat, katapultiert dich dein Hinterbau beim Gleiten über die Absprungkante mit einem unerwünscht kräftigen Schub nach vorne. Der Effekt? Die Landung nach dem Sprung wird frontlastig. Das raubt dir nicht nur den Flow, sondern auch die Kontrolle über dein Bike. Ein Sturz ist nicht ausgeschlossen.

Canyon Lux Trail
Touren oder Cross Country Fullys mit weniger als 140 Millimeter Federweg verzichten trotz aller Vorteile auf einen Dämpfer mit Piggyback.
Canyon Lux Trail Test
Bei Tourenbikes ist die Gangart im Downhill nicht ganz so rau, weshalb die Nachteile von Dämpfern mit Ausgleichsbehälter überwiegen.

Ein Ausgleichsbehälter ist vor allem bei abfahrtslastigen Bikes ein Must-have

Niemand will Stürzen. Vor allem nicht wegen schlecht funktionierendem Material. Die Konsequenz ist klar: Es braucht vor allem bei abfahrtslastigen Bikes eine zuverlässige Lösung, um die thermische Konsistenz deines Dämpfersystems zu gewährleisten. Nur so kann man auch bei intensiver Belastung das Maximum aus einer Abfahrt herausholen, ohne dass das Material an seine Grenzen kommt. Ein Ausgleichsbehälter ist hierfür ein brillantes Instrument – doch dazu mehr im Detail.

Diese thermische Stabilität, die ein Ausgleichsbehälter erzeugen kann, ist von unschätzbarem Wert für Biker und Piloten, die auf anspruchsvollem Gelände unterwegs sind und auf eine gleichbleibende Performance ihres Materials angewiesen sind. Der Ausgleichsbehälter hält den Dämpfer also kühler und verhindert zudem ein Aufschäumen des Öls, was als Kavitation bekannt ist und die Dämpfungseffizienz beeinträchtigen könnte. Somit ist der Piggyback-Dämpfer eine Schlüsselkomponente für all jene, die ihre Abfahrten kompromisslos und mit maximaler Präzision meistern möchten.

Für Tourenfahrer, die nicht den letzten Adrenalinkick aus jeder Abfahrt herauskitzeln und folglich nicht ständig am Limit unterwegs sind, ist der Effekt weniger wichtig. Auf zahmeren Trails oder bei langsamerer Fahrweise entsteht im Dämpfer auch deutlich weniger Temperatur als auf einer Enduro-Abfahrt oder im Bikepark. Bikes mit 130 mm Federweg und weniger verzichten deshalb meist auf den Ausgleichsbehälter, um Platz, Budget und Gewicht zu sparen.

Cervélo ZFS 5 Test
Bei Cross-Country-Fullys kommt kein Ausgleichsbehälter am Dämpfer zum Einsatz.

Diese Nachteile hat ein Dämpfer mit Ausgleichsbehälter

Die Nachteile liegen auf der Hand. Während ein Dämpfer ohne Ausgleichsbehälter oft weniger als 300 Gramm wiegt, bringt ein vergleichbares Federbein mit Ausgleichsbehälter ca. 150 bis 200 Gramm mehr auf die Waage. Vor allem Touren- und Cross-Country-Fahrer kennen beim Gewicht keinen Spaß und verzichten deshalb lieber auf so einen Piggyback-Dämpfer.

Außerdem verbraucht der Piggyback natürlich Bauraum. Das muss bei der Konstruktion des Rahmens berücksichtigt werden. Unter Umständen kann der Ausgleichsbehälter auch den Platz für den Flaschenhalter im Rahmendreieck verwehren. Vor allem bei kleinen Rahmengrößen ist das häufig der Fall.

Dämpfer mit externem Öl-Reservoir sind außerdem auch immer etwas teurer als solche ohne. Bike-Hersteller, die ein besonders günstiges Fully bauen wollen, verzichten deshalb oft auf den Dämpfer mit Ausgleichsbehälter, um Budget in der Spezifikation zu sparen.

Canyon Neuron Test
Wer auch ohne Ausgleichsbehälter mit Bikes wie dem Canyon Neuron lange und schnell bergab fährt, kann die Zugstufe getrost etwas langsamer einstellen.

Tipp für Bikes ohne Ausgleichsbehälter

Biker, die Herausforderungen abseits asphaltierter Wege suchen und dabei auch vor langen Downhills nicht zurückschrecken, kennen das Szenario: Das Bike ist ausgerüstet mit einem Dämpfer ohne Ausgleichsbehälter, und irgendwann auf der Strecke macht sich die Erwärmung des Öls bemerkbar. Hier eine goldene Regel, die dir auf der nächsten Tour den Hintern retten kann: Hat dein Dämpfer keinen Ausgleichsbehälter, empfiehlt es sich, die Zugstufendämpfung (rotes Stellrad) am Startpunkt ein wenig weiter nach rechts zu drehen, als du es vielleicht für nötig hältst. Klingt kontraintuitiv, ich weiß, doch glaub mir, nach den ersten 100 bis 200 Höhenmetern des Trails wird deine Federung durch die Hitze, die sich im Dämpfer aufstaut, ohnehin schneller.

Dieser kleine Trick sorgt dafür, dass sich die Performance deines Bikes über die gesamte Abfahrt etwas konstanter anfühlt, obwohl du eigentlich ohne die technische Raffinesse eines Ausgleichsbehälters unterwegs bist. Sicherlich ist das kein Allheilmittel für die thermischen Herausforderungen, denen ein Dämpfersystem auf langen Abfahrten ausgesetzt ist, aber es ist eine praktikable Lösung, um das Beste aus deiner Ausstattung herauszuholen, ohne gleich das gesamte Federungssetup über den Haufen werfen zu müssen.

Fox Float X Dämpfer
Große Hersteller wie Fox oder RockShox haben natürlich Dämpfer mit...
Fox Float DPS Dämpfer
... und solche ohne Ausgleichsbehälter im Portfolio. Der Bike-Hersteller oder Biker hat hier die volle Wahlmöglichkeit.

Diese Fox- und Rock-Shox-Dämpfer haben einen Ausgleichsbehälter

Einsatzbereich Fox Rock Shox
Downhill/Enduro Float X2, DHX2, DHX Super Deluxe, Vivid
All Mountain / Trailbike Float X, Float DPX2 Super Deluxe, Monarch +

Fazit

Bei abfahrtsorientierten Fullys ist der Ausgleichsbehälter am Dämpfer nicht nur ein Accessoire für Protzer. Dieser kleine Zylinder verbessert die Performance auf den Trails signifikant, indem er eine konstantere Dämpfungsperformance auch unter Dauerbelastung gewährleistet. Aber bevor du jetzt dein Sparschwein schlachtest, denk dran: Nicht jeder Biker braucht das Nonplusultra. Bei leichten Bodenmanövern oder leistungsorientierten CC-Fahrern können auch Dämpfer ohne Ausgleichsbehälter eine erstklassige Figur machen. Ganz gleich, wo du auf deiner MTB-Reise stehst, deine Fahrweise, das Terrain und der Federweg sind entscheidend, um die optimale Dämpfungskomponente zu finden. Vergleiche die Optionen, teste, wenn möglich, verschiedene Setups und treffe dann die Entscheidung – für die ultimative Balance auf dem Trail und im Geldbeutel.

Über den Autor

Ludwig

... hat mehr als 100.000 Kilometer im Sattel von über 1000 unterschiedlichen Mountainbikes verbracht. Die Quintessenz aus vielen Stunden auf dem Trail: Mountainbikes sind geil, wenn sie zu den persönlichen Vorlieben passen! Mit dieser Erkenntnis hat er bike-test.com gegründet, um Bikern zu helfen, ein ganz persönliches Traumbike zu finden.

Empfohlen für dich

Canyon Grand Canyon Test

Das Canyon Grand Canyon Hardtail ist seit Jahrzehnten ein Klassiker. Kann das Grand Can...

Rockrider Feel 900 s im Test

Decathlon versucht schon lange, das Image vom Discounter loszuwerden. Und das Rockrider...

Specialized Epic World Cup im Test

Mit dem Specialized Epic Worldcup wurde in Morgen Hill ein Zwitter zwischen Racefully u...

Das 2024er Scott Ransom

Das Scott Ransom ist ein Klassiker unter den Enduros. Bislang war es hauptsächlich für ...