Racebike-Zwitter

Specialized Epic World Cup im Test

Mit dem Specialized Epic Worldcup wurde in Morgen Hill ein Zwitter zwischen Racefully und Cross-Country-Hardtail geschaffen. Ist dieses Konzept geil, oder kann man es in die Schublade „Frankenstein-Bike“ stecken?

Specialized Epic World Cup Test
Epic Bikers zählen zu den Ikonen im Rennsport. Der Namenszusatz "World Cup" ist damit schon einmal erklärt. Aber wie funktioniert der Zwitter aus Fully und Hardtail?

Das Beste aus zwei Welten zu vereinen ist eigentlich immer leichter, als man es sich vorstellt. Nicht selten vereint man damit auch die Probleme zweier Welten in einem Produkt. Bestes Beispiel: Hybrid-Autos. Hier trifft wartungsanfällige Verbrennertechnik auf schwere Akkus. Und das ganze System muss auch noch komplex gekoppelt werden. Ein Albtraum für Entwickler, Werkstätten und langfristig auch den Besitzer.

Beim Specialized Epic World Cup handelt es sich zwar um ein unmotorisiertes Fahrzeug, aber auch hier versucht man, das Beste aus zwei Welten zu vereinen. Das Epic World Cup will die Fahreigenschaften eines Fullys mit der Direktheit eines Hardtails verbinden. Dazu hat man nicht nur einen eigenen Rahmen, sondern auch ein komplett eigenständiges Dämpfersystem entwickelt.

Quick Facts zum Specialized Epic World Cup

  • Federweg vorne: 110 mm
  • Federweg hinten: 75 mm
  • Preise: 7200 € - 12.500 €
  • Gewicht: 9,46 Kilo (S-Works-Modell in Größe L ohne Pedale)
  • Rahmengewicht: 1560 Gramm
  • Besonderheit: Dämpfer mit einstellbarem Losbrechmoment vermischen das Fully- und Hardtail-Konzept
Specialized Brain Gabel
An der Gabel vertraut Specialized nach wie vor auf das Brain-System.
Rock Shox Brain Gabel
Über ein Massenträgheitsventil merkt das Brain, aus welcher Richtung der Schlag kommt, und öffnet nur, wenn eine Unebenheit im Untergrund vorliegt.

Epic World Cup Dämpfer kommt ohne Brain-System

Die Vorteile aus einem Fully und einem Hardtail zu vereinen, ist ein hochgestecktes Ziel, an dem schon viele Firmen gescheitert sind. (Hier haben wir übrigens einen Artikel, der dir die Vor- und Nachteile genau erklärt.)

Um das Ziel zu erreichen, löst sich Specialized von der Brain-Technologie, die mithilfe eines Masseträgheitsventils jahrzehntelang den Hinterbau des Specialized Epic-Fullys automatisch blockiert hat. Stattdessen kommt ein spezieller Dämpfer mit separat einstellbarer Positiv- und Negativ-Luftkammer zum Einsatz. Das bekannte Brain-System kommt nur noch an der Gabel zum Einsatz.

Specialized Epic World Cup Dämpfer
Der mit Rock Shox entwickelte Spezialdämpfer ist formschlüssig im Oberrohr eingebettet.
Luftkammern
Man befüllt die Positiv-Luftkammer des Spezialdämpfers über ein normales Ventil. Um den Modus zu wechseln, muss man in einer bestimmten Stellung des Dämpfers den goldenen Knopf drücken. Zugegeben: Es ist erklärungsbedürftig.

Wiederentdeckt: Zwei separat abstimmbare Luftkammern

Dass Federelemente zwei Luftkammern haben, ist nichts Neues. Die positive Luftkammer ist für die Federhärte des Dämpfers oder der Gabel verantwortlich. Die negative Luftkammer bestimmt maßgeblich über das Ansprechverhalten des Federelements.

Neu, oder besser gesagt wiederentdeckt, ist hingegen die Tatsache, dass die positive und die negative Luftkammer separat voneinander abstimmbar sind. Genau darin liegt der Schlüssel für das neue Konzept des Epic World Cups.

Specialized Epic World Cup Test
Hart wie ein Brett. Im straffen Modus rührt sich das Heck selbst im Wiegetritt keinen Millimeter.

So funktioniert das Hardcore-Setup des Specialized Epic World Cups

Wählt man mittels erklärungsbedürftigem Setup den harten Fahrmodus, so eliminiert man die Negativkammer des Dämpfers komplett. Das Ergebnis: kleine Unebenheiten werden vom Dämpfer einfach ignoriert. Die ersten Meter auf dem Trail zeigen: Das Fahrverhalten kommt im normalen Fahrbetrieb dem eines Hardtails tatsächlich ziemlich nahe.

Erst, wenn ein wirklich harter Schlag am Hinterrad einprasselt, gibt der Dämpfer die 75 mm Federweg frei. Und das Epic Worldcup arbeitet wie ein Fully. Das hohe Losbrechmoment in diesem Setup ist etwas gewöhnungsbedürftig. Wer mit dem Komfort eines Fullys rechnet, wird in diesem Setup enttäuscht.

Epic World Cup Fahrmodus
Im Mittleren-Fahrwerksmodus reichen Schläge von kleinen Wurzeln aus, um das Losbrechmoment des Dämpfers zu überwinden. Im Wiegetritt bleibt das Heck dennoch starr.

Die goldene Mitte

Wer sich mit dem Gefühl des hohen Losbrechmoments nicht anfreunden kann, hat die Möglichkeit, die Negativkammer mit einem neuen Setup zu befüllen. Der mittlere Fahrmodus benötigt große, aber keine extremen Schläge, um den Federweg freizugeben.

Mit etwas Druck in der Negativkammer fällt das Losbrechmoment deutlich geringer aus als im Hardcore-Setup. Und schon beim Fahren über eine kleine Wurzel öffnet der Dämpfer, wohingegen er im Wiegetritt noch straff bleibt. Während unseres Tests hat sich die goldene Mitte für uns als beste Einstelloption herausgestellt.

Fully-Modus
Wer nicht auf den Komfort eines Fullys verzichten will, hat auch die Möglichkeit, das Epic World Cup im soften Fahrwerksmodus völlig ohne Losbrechmoment zu fahren.

Das Epic World Cup kann auch wie ein herkömmliches Fully funktionieren.

Im soften Fahrmodus erhält der Dämpfer eine normale Befüllung der Negativkammer. Dann funktioniert der Hinterbau, wie man das von einem Fully gewohnt ist. Dank ca. 10% Negativfederweg spricht er bei kleinsten Unebenheiten bereits an und sorgt für eine komfortable Fahrt auch auf Schotter.

Auf dem Trail wird aber ganz schnell klar, dass mit gerade mal 75 mm Federweg im Heck das Limit schnell erreicht ist. Im Vergleich zu einem Scott Spark oder Orbea Oiz fehlen dem Bike im Heck dann schlichtweg 45 mm Federweg. Bei großen Sprüngen oder besonders harten Schlägen muss man als Fahrer auch mit den Beinen einen Teil der Energie aufnehmen.

Epic World Cup Blockierungsmöglichkeit
Der Dämpfer des Epic World Cups lässt sich nicht vom Lenker aus blockieren.
Cleanes Cockpit
Ohne Bowdenzug für Schaltung, Teleskopstütze oder Dämpferlockout kommt das Epic ästhetisch daher wie jedes andere Racebike.

Einmal eingestellt und dann friss oder stirb

Das ganze System hat keine Option, während der Fahrt auf dem Trail zwischen den Fahrmodi zu wechseln. Der Gedanke hinter diesem System ist, dass man sich als Fahrer je nach Strecke oder persönlichen Vorlieben für seinen Fahrmodus entscheidet und mit diesem während der Fahrt glücklich wird.

Bei der Gabel setzt Specialized weiterhin auf die Brain-Technologie, welche mittels Massenträgheitsventil den Federweg automatisch freigibt. Das tut sie zwar zuverlässig, macht mit einem deutlich spürbaren Losbrechmoment aber auf sich aufmerksam. Wer maximalen Komfort sucht, wird das nicht mögen. Racer akzeptieren es.

Dafür kommt das neue Epic World Cup komplett ohne Lockout-Hebel am Lenker aus und man muss sich während der Fahrt oder dem Training keinen Gedanken an das Fahrwerk verschwenden.

Specialized Epic World Cup Test
Das Versprechen stimmt: Bergauf fährt sich das Specialized Epic World Cup spritzig wie ein Hardtail.
Specialized Epic World Cup Test
Im Downhill muss man mit dem Losbrechmoment des Dämpfers und dem geringen Federweg Abstriche im Vergleich zu einem Fully hinnehmen, ist aber schneller unterwegs als mit einem Hardtail.

Geometrie des Epic World Cup

Specialized liefert das World Cup in 5 Größen von XS bis XL. Lässt bei der Geometrie nichts anbrennen. Mit einem 66,5-Grad-Lenkwinkel orientiert man sich am Trend. Die Sitzposition fällt sportlich, aber nicht extrem aus. Mit dem Pfeil-Symbol Bikes direkt vergleichen könnt ihr die einzelnen Modelle aus unserer großen Marktübersicht auch in den Vergleich mit jedem anderen Bike ziehen. So könnt ihr Geometriedaten eins zu eins gegeneinander vergleichen.

SIZE XXS XS S M L XL XXL
Hersteller-Größenbezeichnung
-
XS
S
M
L
XL
-
Laufradgröße
-
29
29
29
29
29
-
Stack
-
603
600
600
614
628
-
Reach
-
380
415
440
465
490
-
Oberrohrlänge
-
541
581
612
641
670
-
Sitzrohrlänge
-
392
395
410
450
500
-
Sitzwinkel
-
74,5
74,5
74,5
74,5
74,5
-
Steuerrohrlänge
-
93
93
95
110
125
-
Lenkwinkel
-
66,5
66,5
66,5
66,5
66,5
-
Tretlagerabsenkung
-
61
58
57
57
57
-
Tretlagerhöhe (absolut)
-
309
313
313
313
313
-
Kettenstrebenlänge
-
430
430
430
430
430
-
Radstand
-
1089
1124
1150
1181
1212
-
Überstandshöhe
-
738
761
764
774
786
-

Racing-Spirit: Starre Stütze & 9,46 kg Gesamtgewicht

Mit der starren Sattelstütze, den Reifen mit lediglich einem Hauch von Profil und dem geringen Federweg im Heck wird klar: Das Epic World Cup ist voll auf Racing getrimmt. Im Gelände geht es voran. Beim Antritt vermittelt das Bike mit gerade mal 9,46 Kilo tatsächlich das himmlische Gefühl der Topform. Die super leichten Roval Carbon Laufräder tun ihr Übliches, um dieses Gefühl zu befeuern.

Gewicht Specialized Epic World Cup
Leicht wie ein Hardtail, komfortabel wie ein Fully. Wir haben das Versprechen des Zwitter-Konzepts nicht nur auf dem Trail, sondern auch auf der Waage geprüft.
Gewicht Specialized Epic World Cup
Mit 9,46 Kilo spielt das Epic Worldcup in der S-Works-Version in einer Liga mit High-End-Hardtails.
Roval Laufräder Gewicht
3,41 Kilo bringt der Laufradsatz inklusive Bremsscheiben, Kassette und Reifen auf die Waage. Ein Benchmark-Wert, den keine andere Marke ab Werk erreicht.

Bergab bleibt man mit der hohen Sattelstütze jedoch begrenzt. Da hilft es auch nicht, dass der Federweg mit 110 mm an der Gabel etwas üppiger ausfällt, als bei klassischen Konzepten. Das Specialized Epic World Cup lässt sich intuitiv über den Trail steuern, verlangt in technischeren Passagen aber nach guten Skills. Im Praxistest präsentiert sich das Bike eher als komfortables Hardtail denn als superleichtes Racefully.

Rahmengewicht und Details

Wir haben das Epic World Cup zerlegt und den S-Works Rahmen inklusive Gummischonern aber ohne Dämpfer in der Rahmengröße L mit 1560 Gramm gewogen. Ein durchaus respektables Gewicht, wenn man bedenkt, dass viele Racefullyrahmen die 2000-Gramm-Marke knacken. Selbst die Leichtbau-Gurus von Cervelo knacken dieses Gewicht mit ihrem ZFS 5 nicht. Dennoch wiegt er damit fast doppelt so viel wie ein vergleichbarer Hardtail-Rahmen.

Man hat dafür einen Lenkanschlagsbegrenzer, ein geschraubtes BSA-Tretlager und die Möglichkeit, zwei Trinkflaschenhalter zu montieren. Und die flächigen Verschraubungen des Dämpfers mit den Sitzstreben lassen auch an der Steifigkeit des Rahmens keine Zweifel aufkommen. Auch im Praxistest war kein übermäßiger Flex im Rahmen zu spüren.

Rahmengewicht Specialized Epic World Cup
Wie immer haben wir auch das Epic World Cup komplett zerlegt, um das Rahmengewicht einzeln zu ermitteln.
Rahmengewicht Specialized Epic World Cup
Mit 1560 Gramm inklusive Gummischonern an der Kettenstrebe fällt das Gewicht in Größe L sehr niedrig aus.

Der Rivale auf der Rennstrecke und im Bikeshop – das Trek Supercaliber

Trek Supercaliber
Jolanda Neff hat auf dem Trek Supercaliber die Olympischen Spiele gewonnen,
Trek Supercaliber vs. Specialized Epic World Cup
Das Trek Supercaliber ist der Rivale des Epic World Cups. Auf der Rennstrecke und im Bikeshop beim Bike-Kauf.

Die optische Ähnlichkeit zwingt einem nahezu zum Vergleich zwischen Trek Supercaliber und Specialized Epic World Cup. Auch wenn das in Morgan Hill sicher niemand zugeben wird, so kann man nicht leugnen, dass das Supercaliber zumindest eine kleine Inspiration in der Entwicklungsphase des neuen Epic World Cups war.

Zieht man den üblichen Entwicklungszeitraum für ein neues Mountainbike von drei bis vier Jahren vom heutigen Tag ab, landet man ganz grob beim Präsentationsdatum des Trek Supercaliber 2019. Trek hat letztes Jahr bereits die zweite Generation des Supercalibers vorgestellt.

Der Rahmen des Specialized ist dennoch deutlich leichter, das ganze Konzept kommt im Vergleich zum Trek ohne Lockout-Hebel aus und wirkt auch bei der Geometrie deutlich moderner. Wir haben für euch schon mal einen Vergleich gezogen, damit ihr euch selbst ein Bild machen könnt.

Fazit zum Specialized Epic World Cup

Specialized setzt seine Vision vom Bike zwischen Fully und Hardtail gekonnt um. Wobei das ganze Konzept mehr Richtung Racehardtail neigt. Mit niedrigem Gewicht und starrer Stütze steht der Vortrieb ganz klar vor dem Komfort. Uns hat vor allem der mittlere Fahrwerksmodus überzeugt, weil er Hardtailfeeling im Antritt aufkommen lässt und das Losbrechmoment des Hinterbaus aber dennoch im verkraftbaren Rahmen bleibt. Das Specialized Epic Worldcup ist ein Bike für eine spezielle Zielgruppe, die Hardtails geil findet, aber nicht völlig auf die Vorteile eines Fullys verzichten will.

Alle Epic World Cup Modelle und mehr Kaufberatung

Das Epic gibt es in 3 Ausstattungsvarianten von 7200 – 12500 Euro. Wir haben einen Blick auf alle Optionen geworfen. Mit dem Pfeil-Symbol Bikes direkt vergleichen könnt ihr die einzelnen Modelle auch in den Vergleich mit jedem anderen Bike aus unserer großen Marktübersicht ziehen.

Worauf es bei Racebikes ankommt, und wie man das Gewicht eines Racebikes korrekt einordnet, verraten wir in unserer Racebike Kaufberatung.

Über den Autor

Ludwig

... hat mehr als 100.000 Kilometer im Sattel von über 1000 unterschiedlichen Mountainbikes verbracht. Die Quintessenz aus vielen Stunden auf dem Trail: Mountainbikes sind geil, wenn sie zu den persönlichen Vorlieben passen! Mit dieser Erkenntnis hat er bike-test.com gegründet, um Bikern zu helfen, ein ganz persönliches Traumbike zu finden.

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