Rockrider Feel 900 s im Test
Decathlon versucht schon lange, das Image vom Discounter loszuwerden. Und das Rockrider Feel 900 S ist mit Carbonlaufrädern, High-End-Fahrwerk und komplett eigenständigem Rahmen für 4000 € eine echte Kampfansage an die Konkurrenz im High-End-Bereich. Bleibt es bei der Ansage, oder liefert das Bike auch auf dem Trail ab.
Rockrider ist die Eigenmarke vom Sportartikeldiscounter Decathlon. Und dass dieser die Marke aus dem Billig-Image heben will, zeigt auch das jüngste Engagement mit großem Werksteam im Mountainbike Worldcup. Trotz großem Erfolg auf der Rennstrecke ist die High-End Mission von Rockrider kein Durchmarsch.
Der Beweis: Jedes Mal, wenn wir mit mehreren Testern zu großen Testfahrten ausrücken, bleibt das Rockrider Feel 900s bei den ersten Testfahrten in der Garage. Der „Haben-will-Effekt“ hat also bisher nicht eingesetzt.
Quick Facts zum Rockrider Feel 900 S
- Preis: 3999 €
- Federweg vorne: 140 mm
- Federweg hinten: 130 mm
Guter Preis, Top-Ausstattung
Auch wenn die Topmodelle von Santa Cruz, Specialized oder Trek eine hohe mediale Aufmerksamkeit haben, geben die wenigsten Biker mehr als 5000 € für ein Mountainbike ohne Motor aus. Wer sich auf den Trails umsieht, entdecket vor allem Bikes von Cube, Canyon oder Radon. Hersteller, die sich typischerweise durch eine gute Preis-Leistung auszeichnen.
Der Blick auf die Ausstattung des Feel 900 S macht klar: Rockrider will Marktanteile von diesen etablierten Marken im Preisbereich abgraben. Für 4000 € hat das Bike ein Ultimate-Fahrwerk von Rock Shox und damit das beste Fahrwerk, das Rock Shox in dieser Federwegsklasse verkauft. Crossmax Carbon-Laufräder von Mavic fügen sich ins High-End-Bild ein. Die mechanische Sram GX Eagle-Schaltung muss man etwas präziser einstellen als die neuen Transmission-Versionen, aber: Sie funktioniert einwandfrei.
Gewicht gut, aber längst keine Benchmark
Und dennoch hat uns das Rockrider in einem Punkt etwas enttäuscht. Bei dem Ausstattungsfeuerwerk hätten wir uns ein deutlich leichteres Komplettgewicht erwartet. Wir haben das Bike mit 14 Kilo ohne Pedale in Größe L gewogen.
Zum Vergleich: Das Cube Stereo One44 Race kostet auch 4000 €. Bei ebenfalls 140 Millimeter Federweg bringt es 1,3 Kilo weniger auf die Waage. Auch Canyons Neuron CF 9 ist mit 13,25 Kilo beim selben Preis deutlich leichter. Und das größte Problem ist, dass das Gewicht auch noch an der falschen Stelle sitzt.
Reifen treiben das Gewicht nach oben
Wir haben nicht nur das Komplettbike gewogen, sondern auch die Laufräder einzeln. So bekommt man neben dem subjektiven Fahrgefühl auch einen faktischen Wert zur rotierenden Masse. Mit fast 5 Kilo sind die Laufräder für ein Tourenbike mit 140 Millimeter Federweg zu schwer.
Die dicken Reifen und die schweren Schläuche machen den Gewichtsvorteil der Mavic Carbon Laufräder zunichte. Zur Orientierung: Gute Werte für Bikes mit 140 mm Federweg liegen bei zirka 4,5 Kilo. Man kann also rückschließen, dass ein Großteil des Mehrgewichts gegenüber den Modellen von Canyon oder Cube in den Laufrädern steckt.
Durch die schweren Reifen fällt nicht nur der Antritt träger aus, als bei der Konkurrenz. Auch das Handling in engen Singletrails braucht etwas mehr Input vom Fahrer, als bei einem Bike mit leichten Laufrädern.
Fahrwerk lässt keine Wünsche offen
Der Hinterbau des Rockrider Feel 900 s funktioniert sehr gut. Das Durchrauschen, wie wir es beim günstigen Rockrider AM 100 s im Test bemängelt haben, ist beim neuen Feel 900 s kein Problem.
Wenn es richtig rappelt, macht der Hinterbau mit seinen 130 Millimeter Federweg aber eher Dicht als die Rock Shox Pike Ultimate Gabel mit 10 Millimeter Federweg mehr. Dass der Dämpfer kleinen Ausgleichsbehälter hat, stört in dieser Federwegsklasse nicht.
Ausstattung öffnet keine Flanken für Kritik
Die Sram G2 Bremsen sind nicht für brachiale Power bekannt. Dank der großen Bremssscheiben mit 200 Millimeter Durchmesser an Front und Hecvk funktionieren sie sehr gut.
Die innen verlegten Züge sorgen bei vielen Bikes, auch aus dem Rockrider Porfolio, in unserem Test immer wieder zu Klappergeräuschen. Hier hat Rockrider aber gelernt und beugt jetzt mit Schaumstoffhüllen der Geräuschentwicklung ab Werk vor.
Auch die No-Name Teleskopstütze funktioniert gut. Der gelabelte Lenker hat eine gute Ergonomie und fügt sich gut in das Bild mit der angenehmen, nicht zu sportlichen Sitzposition.
Fahreigenschaften auf dem Trail
Auch wenn das Rockrider Feel 900 s nicht die erste Wahl bei unserem Lunchride-Testsessions war, hat es im Gelände nicht enttäuscht. Das Fahrwerk wabert über Hindernisse ohne den Fahrer aus der Bahn zu schmeißen. Bremsen und Schaltung verrichten ihren Dienst unauffällig.
Der 475 mm lange Reach in Größe L und die großen 29er Laufräder geben dem Rockrider auch bei hohem Tempo ein souveränes Handling. In Kombination mit den etwas schweren Laufrädern kann man sagen, dass dem Feel 900s schnelle Trails besser liegen als verwinkelte Pfade durchs Unterholz.
Bergauf arbeitet der Hinterbau antriebsneutral und die Sitzposition fällt nicht zu sportlich, sondern passend für Tourenfahrer eher komfortabel aus. Kurzum: Decathlon gibt sich auf dem Trail keine Blöße.
Fazit zum Rockrider Feel 900 s
Rockrider versucht mit der Brechstange die Discount Ecke zu verlassen, und das gelingt. Das Ausstattungsfeuerwerk mit Top Fahrwerk und Carbonlaufräder, liegt in der Preisklasse über dem Marktdurchschnitt. Mit 14 Kilo fällt das Komplettpaket des Feel 900s nicht schwer, aber dennoch schwerer als die Bikes der Marktführer Canyon und Cube aus.
Die dicken Reifen treiben zudem die rotierende Masse nach oben. Vor allem bei einem Tourenbike mit dem ja auch Strecke machen will, ist das nicht optimal. Aber das ist ein Punkt, den man im Nachgang gut beheben kann. Das Feel 900s ist ein solides Bike, aber kein Überflieger.
Noch kann Decathlon der Konkurrenz im High End Segment nicht die Butter vom Brot nehmen. Aber sie rangieren mit dem Feel 900s unter den besten Playern am Markt.
Die Konkurrenz im All Mountain Segment
Das Rockrider Feel 900s ist besser als viele Bikes in dieses Preisklasse, hat aber kein Alleinstellungsmerkmal. Während Canyon mit seinem Neuron mit einem guten Hinterbau punktet, kommt Cube vor allem über das Gewicht. Radon bietet mit dem Slide Trail AL eine preisaggresive Option unter 3000 € an. Crossworx zieht den „Made in Germany“ Joker. Und Santa Cruz haucht seinem 5010 mehr Fahrspaß ein, als jeder andere Hersteller.
Die Aufzählung macht klar, wie hart der MTB Markt derzeit umkämpft ist. Damit ihr nicht den Überblick über all diese Optionen verliert, haben wir hier eine komplette Marktübersicht mit allen verfügbaren Modellen im All Mountain Sektor für euch.