Interview mit Georg Egger
Georg Egger ist jung, erfolgreich und liebt es, Dinge anders zu machen. Im Interview spricht der Cape Epic Sieger von 2022 deshalb nicht nur über den Versuch der Titelverteidigung 2023. Uns verrät er auch, warum es für ihn so wichtig ist, sein eigenes Ding zu machen.

Georg, was war schwieriger: das Cape Epic 2022 als Underdogs zu gewinnen, oder als Titelverteidiger 2023 auf Platz 2 zu fahren?
Die Fans und die Medien feiern natürlich den Sieg der Underdogs deutlich mehr als den zweiten Platz der Titelverteidiger. Sportlich muss man das natürlich etwas anders einordnen. Der mentale und mediale Druck, als Titelverteidiger beim größten Etappenrennen der Welt an den Start zu gehen, ist enorm.
Wir sind bei beiden Rennen an unser persönliches körperliches Limit gegangen, um die jeweiligen Erfolge zu erreichen. Auch wenn unser Sieg letztes Jahr emotional war, freue ich mich insgeheim über den zweiten Platz aus diesem Jahr fast noch etwas mehr. Damit haben wir allen Kritikern bewiesen, dass wir mit unserem Speed Company Racing Team keine Eintagsfliege waren.
War euer eigenes Speed Company Racing Team eigentlich ein Kind der Not heraus, weil ihr keine Sponsoren hattet?
Nein, absolut nicht. Ich würde es eher andersherum sagen. Wir haben uns bewusst nicht zu früh an Sponsoren gebunden, um unser eigenes Ding so durchziehen zu können, wie wir uns das vorstellen. Ich kenne Lukas Baum schon seitdem ich Mountainbike Rennen fahre und wollte unbedingt mit ihm zusammen Etappenrennen bestreiten.
Ich wusste, dass wir beide in einem Team extrem stark sind und wollte das auch zeigen, ohne dass uns ein Sponsor diktiert, wie und wo wir zu fahren haben. Ich bin dann kurz vor der Saison 2022 in einem befreundeten Bikeshop bei mir um die Ecke gegangen und habe für Lukas und mich zwei Orbea Oiz in der Trial-Version gekauft, um damit den Beweis unserer Vision anzutreten.



Warum war euch das so wichtig, mit Speed Company Racing euer eigenes Ding durchzuziehen?
Das hat mehrere Gründe. Einer ist sicherlich, dass es sehr schwer geworden wäre, zu zweit einen Vertrag in einem Team zu bekommen. Ein anderer ist, dass wir unsere Freiheit lieben. Bei einem großen Werksteam wäre die Bezahlung 2022 mit Sicherheit besser gewesen, unter Umständen hätten wir aber keine freie Fahrt beim Cape Epic gehabt, oder noch nicht mal gemeinsam das Rennen bestreiten können.
In einem Support-Team für einen namhaften Fahrer Ersatzlaufräder durch Afrika zu fahren, wäre für mich keine Option gewesen. Und ich wusste auch, dass ich die Leistung, so wie wir sie dieses und letztes Jahr beim Cape Epic gezeigt haben, nur gemeinsam mit Lukas bringen kann. Das funktioniert nicht mit jedem Partner.
Okay, die Rechnung ist aufgegangen. Für die Saison 2023 habt ihr euch ja in eine komfortable Situation bei der Sponsorensuche begeben. Dennoch bleibt ihr beim wohl aufwendigerem Konzept des eigenen Teams. Warum?
Mir stellt sich eher die Frage: Warum nicht? Unsere Erfolge in der Saison 2022 haben unser Konzept ja bestätigt. Ich glaube nicht, dass wir dieses Jahr schneller gefahren wären, wenn wir ein Werksteam mit 15 Helfern und großen Service Truck und Team Area gehabt hätten.
Der Hype um die Profiteams ist ja auch ein Stück weit Selbstzweck. Die üppigen Team Areas werden ja hauptsächlich wegen der Show aufgebaut und nicht weil sie einen Fahrer schneller machen. Ähnlich ist es oft mit den Mechanikern. Ich muss nicht jeden Tag mein komplettes Bike zerlegen, um am nächsten Tag damit schnell fahren zu können.
Klar ist es wichtig nach außen hin ein sauberes Bild abzuliefern. Aber ich glaube, dass es heutzutage auch für Sponsoren zielführender ist mit authentischen Athleten zu arbeiten als die Marketingkeule mit dicken Budget voll durchzuschwingen.
Was meinst du damit genau?
Ich glaube als Athlet kannst du nur die maximale Leistung bringen, wenn du dich nicht verstellen musst. Unser Erfolgsrezept 2022 und auch 2023 war, dass wir nur das gemacht haben, was wir machen wollten. Wir haben beispielsweise ganz bewusst keinen Einsatz in Amerika gehabt, weil ich da keinen Bock drauf gehabt hätte. Ich habe eine kleine Tochter.
Wenn mir ein Sponsor diktiert, dass ich alle World Cups in Übersee fahren muss, dann bedeutet das für mich, dass ich lange von meiner Familie getrennt bin. Das passt aktuell einfach nicht in mein Leben.
Und unter solchen Umständen erreichst du weder auf der Rennstrecke noch in der Außendarstellung einen Erfolg. Da bringt es dich dann auch nicht weiter, wenn du in einer Team Area auf einer Ledercouch sitzen kannst, während du eigentlich woanders sein wolltest.

Diesen Drang zur Freiheit muss man sich natürlich auch leisten können.
Man muss es sich nicht leisten können, man muss es sich trauen. Medien und auch Fans klagen im Bike Sport ganz oft darüber, dass die Athleten zu austauschbar sind. Dem Sport fehlt es an Charakterköpfen heißt es dann oft.
Aber so ein eigener Charakterkopf passt auch nicht in die durchgeplante Marketingstrategie eines Werksteams. Das eine bedingt also das andere. Ich glaube mit unserem eigenständigen Weg bereichern wir die komplette Mountainbike-Szene. Das ist sicherlich nicht jedermanns Sache und ein eigenes Rennteam ist mit Sicherheit auch mit mehr Aufwand verbunden als die Vertragsunterzeichnung bei einem Werksteam. Aber ich finde es einfach geiler.


Wenn du mit Piercing in der Nase und großflächigen Tattoos neben Nino Schurter auf dem Podium stehst, gibt das schon ein ziemliches Kontrastbild ab. Genießt du diese Bad Boy Rolle?
Ich genieße mein Leben. Ich lasse mir keine Tattoos stechen, um irgendjemanden auf einer Siegerehrung zu gefallen. Ich habe das irgendwann gemacht, weil es mir selbst taugt. Wenn es anderen Menschen gefällt, ist das gut. Wenn nicht, ist es auch nicht mein Problem. Wer sich an diesem Auftritt stört, der kann mich gerne auch auf die sportliche Leistung reduzieren.
Das ist letztendlich auch, worum es mir geht. Ich will so gut wie möglich Rennen fahren. Aber ich habe das Gefühl, dass ich mit dem Speed Company Racing Team zum ersten Mal komplett ohne Vorschriften eines Teamchefs auch eine bessere Leistung bringen kann. Dieses Gefühl der Freiheit zahlt sich letztendlich auch auf der Rennstrecke aus.

Gerade hast du mit Lukas Baum zusammen das Four Islands Etappenrennen gewonnen. Was steht 2023 sonst noch an?
Lukas wird ein paar Cross Country Rennen wie z. B. den Worldcup in Nove Mesto fahren, sich aber hauptsächlich auf die Marathon EM und WM konzentrieren. Ich will mein Limit im Cross Country nochmal neu definieren.
Ich habe das Gefühl, dass ich stärker bin denn je und will das dieses Jahr beim World Cup auch noch beweisen. Ich verlagere deshalb ab jetzt meinen Schwerpunkt auf die europäischen Stationen des Cross Country World Cups. Eines meiner großen Ziele wird mit Sicherheit die Weltmeisterschaft in Glasgow im August.
Bei welchem Rennen wirst du starten, Marathon oder Cross Country?
Zu einer Weltmeisterschaft muss man natürlich auch erstmal nominiert werden. Mein Ziel wäre es aber, in beiden Rennen zu starten. Zwischen den beiden Rennen liegen exakt 6 Tage. Das ist genügend Zeit, um sich zu regenerieren. Nachdem ich jahrelang mein Training selbst geplant habe, habe ich für 2023 auch erstmals wieder einen Trainer mit an Bord. Mit ihm zusammen versuche ich dieses Ziel zu erreichen.

Das letzte Mal, als du in Glasgow am Start warst, bist du 9ter bei der Europameisterschaft geworden. Glaubst du an so einen Erfolg anknüpfen zu können?
Eine Europameisterschaft ist keine Weltmeisterschaft. Klar ist aber, wenn ich beim Rennen am Start gehe, dass ich das Maximum aus meinem Körper herausholen will. Die Belastung bei zwei Rennen innerhalb einer Woche zu starten tut man sich nicht an, mit dem Gedanken “dabei sein ist alles”.
Bei der Marathon Weltmeisterschaft können wir, also Lukas Baum und ich, hoffentlich auch die taktische Karte spielen. Dass wir das Zeug dazu haben, bei so einem Rennen ganz vorne mit zu fahren, haben wir beim Epic bewiesen. Für das Cross Country Rennen ist es noch zu früh, eine Prognose abzugeben. Mal sehen wie die Saison verläuft.
Wo siehst du dich langfristig sportlich gesehen?
Ich will dieses Jahr noch mal meine Grenzen im Cross Country austesten. Je nachdem wie das läuft, plane ich weiter. Lukas denke ich wird 100% auf die Marathon-Schiene setzen. Für mich wäre das eventuell auch eine Option ab 2024.
Aktuell will ich mich da noch nicht festlegen. So wie es aktuell aussieht, könnte es gut sein, dass unser Speed Company Racing Projekt zu einem Dauerzustand wird. Der Erfolg passt aktuell und die Stimmung ist bombastisch. Ich sehe derzeit keinen Grund, an diesem Konzept etwas zu ändern.
Georg, danke fürs Interview. Good luck and good legs für 2023!
Die Serienbikes der Cape Epic Sieger 2023 im Vergleich
Auf bike-test.com liegt der volle Fokus natürlich aufs Material. Aber das Interview mit Georg Egger war zu gut, um es euch vorzuenthalten. Natürlich haben wir neben dem Interview auch noch einen Bikecheck mit Eggers Bike gemacht.
Außerdem könnt ihr hier die Serienbikes der Cap Epic Sieger vergleichen.Gäbe es eine Konstrukteurswertung, dann hätten Specialized, Orbea und Scott die ersten drei Plätze beim Cape Epic 2023 belegt. Wir haben für euch die Top-Serienbikes dieser drei Hersteller in einem Vergleich angelegt.
So könnt ihr nicht nur von den Ausstattungen träumen, sondern auch die Geometrie in der Bikes eins zu eins vergleichen. Klar ist dabei: die Profi Bikes weichen von der Ausstattung minimal ab.
Wer ernsthaft mit dem Gedanken spielt sich ein neues Racebike für die Marathon Saison zu holen, der findet hier eine komplette Kaufberatung mit den besten 2023er Modellen.
Alle Fotos: Moritz Sauer