Scott Aspect 920 im Test
Das Scott Aspect 920 in diesem Test kostet 1200 € (UVP) und definiert damit eine magische Preisgrenze. Wer 1000 € in ein neues Bike investierte, konnte sich in den letzten Jahrzehnten sicher sein: Das neue Bike steckt auch den sportlichen Einsatz weg. Bestätigt das Scotts Aspect 920 diese Faustformel auch nach den Preisanstiegen der Corona-Krise?
Mountainbiken ist teuer. Zumindest beschleicht einen das Gefühl, wenn man sich mit dem Gedanken beschäftigt, ein neues Mountainbike zu kaufen. Fünfstellige Preisschilder an den Topmodellen der angesagten Hersteller sind keine Ausnahme mehr. Und auch wenn einem die Fülle an hochpreisigen Bikes glauben lässt, das sei die Normalität, so sieht die Realität in den Bikeshops und auf den Trails doch ganz anders aus.
Die allermeisten Bikes, die man im Gelände tatsächlich sieht, kosten unter 4000 €. Wer gerade mit dem Mountainbiken anfangen will, oder nur gelegentlich über Trails fährt, der wird den Preisrahmen noch mal deutlich enger abstecken. Für 1000 € kann man sich ein aktuelles iPhone 14 kaufen. Man kann mit diesem Betrag 4 Tage Urlaub in einem Sterne-Hotel am Gardasee machen. Aber kann man mit gut 1000 € auch mit dem Mountainbiken anfangen?
Die Scott Aspect Modellreihe – Zwischen Alltag und Trail
Die Preisgrenze von 1000 € trennt seit jeher die Spreu vom Weizen. Denn Mountainbikes für 500 bis 800 € fallen in den meisten Fällen in die Kategorie “Lookalike” Mountainbike. Sprich: Sie sehen aus wie Mountainbikes, taugen aber nicht wirklich für den sportlichen Einsatz.
Mit Stahlfedergabeln, etwas plumpen Schaltungen und kleinen Bremsanlagen liegt der Einsatzzweck mehr auf alltäglichen Strecken. Auch der Blick auf die Scott Aspect Modellfamilie bestätigt diese Theorie. Modelle, die günstiger sind als das Aspect 950, haben einen günstigeren Rahmen mit einer außen verlegten Bremsleitung und machen klare Abstriche bei der Geländetauglichkeit.
Die Frage bleibt: Haben die durch Corona und Inflation gestiegenen Preise auch das Aspect 920 für 1200 € zu einem Alltagsrad degradiert?
So viel Sport steckt im Scott Aspect 920
Mit der SR Suntour XCR 32 Gabel hat das Aspect 920 schon mal ein gewichtiges Argument, dass es von den günstigeren Brüdern unterscheidet. Denn die Federgabel im Aspect 920 lässt sich über eine Luftkammer perfekt auf das eigene Körpergewicht abstimmen. Und das ist die Grundlage für sportliche Ausritte ins Gelände.
Nur wenn die Federgabel die gröbsten Schläge ordentlich einebnet und durch solide Dämpfung auch die Ausfedergeschwindigkeit (Zugstufe) kontrolliert, kommt auch bei höherem Tempo Spaß auf. Und beim Aspect 920 wird auch klar, dass die Fahrradindustrie in den letzten Jahren die Preise nicht aus reiner Gier angehoben hat.
Denn Stück für Stück sickert der in den teuren Preisklassen entwickelte Fortschritt in die günstigeren Preisregionen durch. So rollt das Aspect 920 nicht nur auf großen 29er-Laufrädern, sondern überzeugt auch bei der Geometrie. Beides sind Features, die bis vor wenigen Jahren noch den Bikes aus dem Mountainbike Worldcup vorbehalten waren.
Die Vorteile der großen 29er-Laufräder im Aspect 920
Die großen 29er-Laufräder haben nicht nur einen geringeren Rollwiderstand als die ehemals üblichen 26 Zoll Laufräder. Sie haben vor allem auch ein deutlich besseres Überrollverhalten. Sprich: sie rollen über kleine Wurzeln oder andere Unebenheiten ohne, dass sie daran hängen bleiben und die Fahrt deutlich verlangsamen.
Auch die Geometrie mit tiefem Tretlager und 68,5 Grad flachen Lenkwinkel spiegelt nahezu die Daten von aktuellen Top-Bikes wie dem Scott Scale RC wider. (Keine Angst, die Sitzposition ist weniger sportlich, aber dazu später mehr.) Die Kombination aus Geometrie, großen Laufrädern, gut funktionierender Federgabel und dicken 2,4er-Reifen vermittelt einem im Gelände eine wirklich souveränes, sicheres Fahrgefühl.
Damit kommt die Grundlage für Fahrspaß auf den Singletrails in Preisregionen, wo sie zuvor noch nicht war. Mountainbikes sind in den letzten Jahren also nicht nur teurer geworden, sie sind vor allem auch besser geworden. Danke Fortschritt!
Ist die 2x11 Schaltung am Scott Aspect noch zeitgemäß?
Ein Punkt fällt einem beim Betrachten des Aspect 920 aber sofort ins Auge. Das Bike hat noch eine Schaltung mit zwei Kettenblättern an der Kurbel. Erst beim teureren Scott Aspect 910 wird ein aktuell angesagter 1×12 Antrieb verbaut.
Soll man sich heute noch ein hochwertiges Bike mit einer 2×11 Schaltung kaufen? An der Stelle wird klar, dass die Produktmanager für den UVP von 1200 € nicht aus dem Vollen schöpfen können. Denn auch der verbaute 1×12 Sram Antrieb am teureren Aspect 910 hat mit 455 % Bandbreite eine relativ geringe Gangspreizung.
Darunter versteht man den Unterschied zwischen größtem und kleinstem Gang. Bei unserem Testbike, dem Scott Aspect 920, fällt dieser Wert mit 529 % deutlich besser aus. Man hat hier also sowohl einen sehr kleinen Gang für steile Rampen und einen schweren Gang für schnelle Ausritte auf Teer- oder Schotterstraßen.
Der Nachteil des 2×11 Antriebs ist dafür die etwas komplexere Bedienung von zwei Schalthebeln, die man im Gelände managen muss. Einen Tod muss man in dieser Preisklasse bei der Schaltung aber immer sterben. Scott entscheidet sich hier für die höhere Bandbreite, um dem Aspect 920 einen möglichst breiten Einsatzbereich zu verleihen.
Aus unserer Sicht ist das in Ordnung und ein sehr gutes Argument, warum man sich auch heute noch eine Schaltung mit 2 Schalthebeln zulegen kann. Vor allem, wenn sie sich so leichtgängig bedienen lässt und präzise schaltet wie das Shimano-Ensemble am Scott Aspect 920.
Himmelfahrtskommando - so fährt das Scott Aspect 920 bergauf
Kann man mit diesem Mountainbike für knapp über 1000 € tatsächlich sportlich Mountainbiken? Wir haben uns in den Sattel geschwungen und es ausprobiert. Ein Fakt kommt dabei relativ schnell zum Vorschein: Mit 14,2 Kilo inklusive Pedalen fällt das Gewicht in einer absoluten Betrachtung des Marktes relativ hoch aus.
Zum Vergleich: Das Scott Scale RC aus diesem Test bringt 8,9 Kilo auf die Waage und demonstriert damit, was aktuell möglich ist. Vorausgesetzt: Geld spielt keine Rolle! (Das Testbike kostete 14000 €). Bleibt man bei der Betrachtung in der Preisklasse um 1000 €, wiegen auch die Bikes der Konkurrenz ähnlich viel.
Und dieses Gewicht spürt man natürlich. Vor allem bei schnellen Antritten. Wenn das Bike zum Beispiel aus einer Kurve heraus beschleunigt werden will, sind stramme Waden gefragt. Bei längeren Anstiegen hilft der kleine Klettergang, das Gewicht gut zu kaschieren.
Wer gemütlich Richtung Traileinstieg pedaliert, muss freilich trotzdem die zusätzlichen Kilos nach oben befördern. Aber das Scott Aspect limitiert einen hier nicht. Kurzum: man kommt damit den Berg gut hoch. Die ausgewogene (nicht zu sportlich) Sitzposition sorgt dabei für ein angenehmes Gefühl, auch für untrainierte Biker. Die vom Lenker aus blockierbare Federgabel lässt vor allem den Wiegetritt bergauf effizient ausfallen.
Trailverweigerer oder Spaßmaschine - so fährt das Scott Aspect 920 bergab
Die große Frage bleibt natürlich, ob man mit so einem Bike auch den Berg hinab kommt? Anders als bei teureren Bikes muss man hier für knackige Abfahrten den Sattel noch mit einem Griff an den Schnellspanner versenken. Nützliche Telsekopstützen gibt es meiste erst in Bikes ab 1500 € und mehr. Macht man das, überrascht das Aspect, denn der theoretische 29er-Effekt, den wir bereits weiter oben erläutert haben, tritt tatsächlich ein.
Das Zusammenspiel aus großen Laufrädern, breiten 2,4er-Reifen und guter Geometrie lässt ein sicheres Fahrgefühl aufkommen. Und das wiederum verleitet dazu, an das persönliche Limit zu gehen. Mit jedem Trail, den wir mit dem Bike absolvierten, stieg das Vertrauen ins Aspect und damit auch das Tempo.
Nach über 150 Kilometer im Sattel des Bikes wissen wir: Ja, man kann auch 2023 noch mit einem Rad für knapp über 1000 € mit Biken anfangen! Natürlich muss man in der Preisklasse aber auch bergab gewisse Kompromisse hinnehmen. Wir hätten uns vor allem eine etwas stärkere Bremsanlage mit ergonomischen Hebeln gewünscht.
Ein Kritikpunkt, der vor allem bei sehr sportlicher Gangart zum Vorschein kommt, und der mit kleineren Maßnahmen auch deutlich abgemildert werden kann. Andere Bremsbeläge oder größere Bremsscheiben (vor allem am Heck) können hier bereits Gamechanger sein.
Wo liegt der Unterschied zu den teureren Scott Scale Modellen?
Natürlich stellt man sich die Frage: Was bekomme ich, wenn ich mehr ausgebe? Der Blick auf die hochwertigeren Scott Scale Modelle verrät das sehr eindeutig. Die Bikes werden vor allem leichter. Bereits um 2000 € darf man Gewichte von ca. 12 Kilo erwarten.
Möglich wird das nicht nur durch den Einsatz von Carbon als Rahmenmaterial, sondern auch durch hochwertigere Komponenten. Die Zugführung durch den Steuersatz und das komplette Design wird nochmal schicker. Und das Scale hat an Front und Heck bereits Steckachsen. Die erhöhen nicht nur die Steifigkeit des Rahmens, sondern erleichtern auch den Ein- und Ausbau von Laufrädern in Verbindung mit Scheibenbremsen. Wer mehr Geld ausgibt, bekommt auch bessere Bikes. Und mit größerem Budget hat man mehr Optionen.
Man ist ab 2000 € und mehr nämlich nicht mehr nur auf ein Hardtail festgelegt, sondern kann auch schon mit einem Fully liebäugeln. Hier erklären wir die generellen Unterschiede beider Systeme. Damit kann man bergab extreme Trails unter die Stollen nehmen. Selbst der Ausflug in den Bikepark ist damit nicht ausgeschlossen.
Das sind Sachen, bei denen das Limit des Scott Aspects definitiv erreicht ist. Auch wenn du überlegst, bei dem ein oder anderen regionalen Cross Country Rennen oder Marathon an den Start zu gehen, lohnt es sich im Vorfeld etwas tiefer in die Tasche zu greifen.
Alle Standards am Scott Aspect
- Tretlager: Pressfit
- Laufradgröße: 29 Zoll
- Einbaumaß Hinterrad: 100×9 mm Schnellspanner
- Leitungsführung: durch das Unterrohr
- Flaschenhalter: Platz für zwei Flaschen
Alle aktuellen Scott Aspect Modelle auf einen Blick inkl. Preise und Verfügbarkeiten:
Wie gewohnt liefern wir nicht nur tiefgründige Einblicke in die Details. Im Gegensatz zu allen anderen Medien erlaubt es unser innovatives und absolut objektives Testsystem euch Informationen zur kompletten Modellfamilie zu liefern. Hier könnt ihr euch zu dem richtigen Scott Aspect je nach eurem Budget informieren.
Hier haben wir übrigens eine komplette Kaufberatung für günstige Hardtails.
Alle aktuellen Scott Aspect 29er Modelle im Überblick
Fazit zum Scott Aspect 920
Thank God! Mountainbiken ist noch nicht zum Snobsport mutiert. Man kann auch 2023 mit einem Bike für ca. 1000 € noch mit dem Sport anfangen.
Das Scott Aspect 920 überzeugt uns durch eine gute Geometrie und eine sinnige Ausstattung. Ausflüge auf leichte Trails machen damit tatsächlich Spaß. Die 2×11 Schaltung wirkt nur auf den ersten Blick fehl am Platz, hat aber ihre Berechtigung. Wer auf krasse Trails aus ist, oder sich regelmäßig in Wettkämpfen messen will, der sollte dennoch tiefer in die Tasche greifen.