ARC8 Evolve FS im Test
Das ARC8 Evolve FS vereint 120 mm Federweg und eine Teleskopstütze mit einem beeindruckend niedrigen Gewicht von 10,0 Kilo. Der schlanke Carbonrahmen knackt sogar die 1600-Gramm-Marke. Wie schafft eine junge Schweizer Firma das, woran selbst die größten Hersteller scheitern?

Man kann das ARC8 getrost als Punkrocker unter den Racebikes bezeichnen. Während so mancher Hersteller nur mit Samthandschuhen an etablierte Standards rangeht, pfeift ARC8 auf alles, was man als technisch normal bezeichnen könnte.
Die Geometrie des ARC8 Racefullys fällt extravagant aus, der Rahmen ist unverschämt leicht und anstelle eines Umlenkhebels gibt es eine einzigartige Gleiterkonstruktion. Die große Frage ist: Macht so viel Mut zum Anderssein ein Rad wirklich besser?


ARC8 Evolve FS Key-Facts
- Gewicht: 10,0 Kilo
- Rahmengewicht: 1558 Gramm
- Federweg: 120 mm
- Besonderheiten: Gleiter-Hinterbau; nur zwei Rahmengrößen

Wie leicht sind 10 Kilo für ein Race-Bike wirklich?
Das Argument, das am ARC8 Evolve FS wohl am meisten verfängt, ist das Gewicht. Denn mit gerade einmal 10 Kilo in Rahmengröße L ohne Pedale ist es das leichteste Racebike, das wir je auf der Waage hatten.


Zum Vergleich: Specialized’s S-Works Epic 8 wiegt trotz horrendem Preis von 14.500 € noch 10,4 Kilo. Das Racehardtail Rose PDQ schaffte es mit 120 mm Federweg und Teleskopstütze (aber eben ohne Dämpfer im Heck) ebenfalls auf glatte 10 Kilo ohne Pedale.
Und auch die Tabelle mit den Gewichten der angesagtesten Racebikes verrät: 10 Kilo ist ein bombastischer Wert für ein Fully mit 120 mm Federweg und Teleskopstütze. Das ARC8 ist die gewichtstechnische Benchmark für alle Racebikes.
BIKE | FEDERWEG | GEWICHT | RAHMENGEWICHT | PREIS |
Specialized Epic S-Works | 120/120 mm | 10,46 kg | 1683 Gramm | 14.500 € |
Cannondale Scalpel 1 Lefty | 120 / 120 mm | 11,5 kg | 1960 Gramm | 9.499 € |
Scott Scale RC | 120 / 120 mm | 10,3 kg | 1870 Gramm | 13.999 € |
Mondraker F-Podium | 120 / 110 mm | 11,55 kg | 2133 Gramm | 7.999 € |
Canyon Lux Trail | 120 / 115 mm | 11,4 kg | 2133 Gramm | 6.999 € |
Cervelo ZFS-5 | 100 / 100 mm | 10,0 kg | 1705 Gramm | 11.299 € |
Orbea Oiz | 120 / 120 mm | 10,4 kg | 1740 Gramm* | 10.399 € |
Rose PDQ (Hardtail) | 120 / - mm | 9,7 Kilo | 1048 Gramm | 6.999 € |
Wie kann ARC8 das Evolve FS so leicht bauen?
Natürlich hat ARC8 alle Register gezogen, um das phänomenale Gesamtgewicht zu erreichen. Die verbauten Wolfpack Reifen zählen zu den Leichtesten auf dem Markt. Shimanos 1×12 XTR-Schaltung spart gegenüber einer Transmission-Schaltung von Sram locker 150 – 200 Gramm.
Der verbaute Newmen Carbon Laufradsatz wiegt gerade mal 1362 Gramm. Inklusive Reifen, Kassette und Bremsscheiben liegt die rotierende Masse bei 3570 Gramm. Damit ist der komplette Laufradsatz extrem leicht. Leichter war nur der des Specialized Epic World Cup.

Aber die Hauptzutat für das extrem leichte Bike bleibt natürlich der Rahmen. Mit nachgewogenen 1558 Gramm holen sich die Schweizer hier die Leichtbaukrone. Der Rahmen des Specialized Epic World Cup war zwar nur 2 Gramm schwerer, aber er bietet auch nur schmächtige 75 mm Federweg im Heck.
Das Specialized Epic mit 120 mm Federweg bringt mit 1683 Gramm über 100 Gramm mehr auf die Waage. Hier lassen die Schweizer ihr Know-how blitzen.

Der Gleiter-Hinterbau: Bedingungsloser Leichtbau!
Der Vorteil der Gleiter-Konstruktion am Hinterbau liegt vor allem in ihrem geringen Gewicht. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Umlenkhebel, der mit mindestens 4 Industrielagern ausgestattet ist und meist auch noch massive Schrauben hat, liegt hier der Unterschied bei 50-100 Gramm. Ein beachtlicher Wert im Leichtbau-Segment.
Aber in der Vergangenheit haben sich Gleiter-Konstruktionen im MTB-Business immer schwer getan. Auch Yetis aktueller Switch-Infinity-Link, welcher ebenfalls eine Gleiter-Konstruktion darstellt, leidet unter einer hohen Defektanfälligkeit bzw. Verschleiß.

Das Problem, dass sich sowohl bei Yeti als auch beim ARC8 Hinterbau ergibt: Der Gleiter arbeitet über lange Strecken nur in einem sehr geringen Arbeitsbereich. Vernachlässigt man die Pflege und fährt viel bei Schmuddelbedingungen, ist der Verschleiß rund um den Sag-Bereich relativ hoch.
Wir hatten damit im Test keinerlei Probleme, im Langzeitbetrieb mag das aber anders aussehen. Die gute Sache: Die filigranen Gleiter-Zylinder sind mit nur vier Flaschenhalter-Schrauben befestigt und lassen sich bei Verschleiß oder zur gründlichen Reinigung und Pflege auch mal schnell demontieren.


Wie funktioniert der Hinterbau auf dem Trail?
Im Gelände überrascht der Hinterbau mit einem erstaunlich guten Ansprechverhalten. Der Gleiter-Hinterbau erhöht das Losbrechmoment des Dämpfers auf dem Trail nicht, oder zumindest nicht spürbar. Selbst kleine Wurzeln oder Unebenheiten frisst das Bike in sich hinein, ohne den Fahrer damit zu belasten.
Unter Kettenzug verhärtet sich der Hinterbau etwas, sodass er auch im Wiegetritt erstaunlich ruhig bleibt. Ein Charakterzug, den vor allem Racer lieben. Wer es gerne komplett straff hat, kann den Hinterbau auch mittels Remote komplett ins Lockout zwingen. Hier gibt sich das ARC8 durchweg sportlich.

Wenn es auf dem Trail zur Sache geht, wird allerdings schnell klar, dass im Heck 10 mm Federweg weniger als an der Front zur Verfügung stehen. Zudem wirkt das letzte Drittel des Federwegs etwas störrisch.
Bei großen Schlägen oder tiefen Kompressionen zeigen sich andere Hinterbauten in der Racebike-Klasse etwas souveräner. In der extremen Kompression des Dämpfers steigt der Druck auf die Gleiterkonstruktion, welcher durch die flexenden Sitzstreben generiert wird. Und das ist auch im Gelände spürbar.


So fährt das ARC8 Evolve im Gelände
Das ARC8 Evolve FS vereint extreme Geometriemaße. Ein extrem langer Reach von 495 mm in Größe L trifft auf einen 65-Grad-flachen Lenkwinkel. Das sind Maße, die man eher bei einem All-Mountain-Bike erwartet. Fährt man nur langsam bergauf oder zirkelt mit geringem Tempo durch ganz enge Kehren, ist das gewöhnungsbedürftig, denn die Lenkung neigt dann fast schon zum Abkippen.
Trotz super langem Reach fällt die Sitzposition erstaunlich aufrecht aus. Der extrem kurze 30 mm Vorbau kompensiert den langen Hauptrahmen komplett. Mit dem steilen Sitzwinkel von 76 Grad sitzt man relativ kurz auf dem Bike. Man hat fast das Gefühl, dass die Schultern über dem Vorbau hängen.


Auch wenn der Vorbau das Handling im Gelände bei hohem Tempo sehr direkt macht, hätte uns ein etwas längerer Vorbau deutlich besser gefallen, um effizienter in die Pedale zu treten und etwas gestreckter zu sitzen. Eine Änderung, die sich bei einer kleinen Firma wie ARC8 sicherlich auf Kundenwunsch umsetzen lässt.
Auf richtig schnellen Trailpassagen blüht das ARC8 Evolve FS dafür voll auf. Wenn der Trail es zulässt, dass man die Finger vom Bremshebel nimmt, ist das ARC8 Evolve in seinem Element. Selbst bei hohem Tempo steht man sicher hinter dem Cockpit und bleibt Herr der Lage.
Fazit zum ARC8 Evolve
ARC8 setzt mit dem Evolve FS bedingungslos auf das Thema Leichtbau und führt dabei selbst die größten Player der Branche vor. Allerdings kommt das Gleiter-System im Hinterbau mit etwas weniger Federweg als an der Gabel auch schneller ans Limit als die Front.
Die rigoros auf newschool getrimmte Geometrie mit langem Hauptrahmen und kurzen 30 mm Vorbau überzeugt bergab. Im Sitzen lassen sich andere Racebikes aber effizienter treten. ARC8 bewegt sich mit diesem Bike gekonnt abseits des Mainstreams und zeigt, dass man als Racer mit 120 mm Federweg und einer Teleskopstütze nicht zwingend ein Mehrgewicht akzeptieren muss.